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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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Heute würde ich (auch anlässlich Reaktionen auf den Leitfaden vergangener Woche) gerne zwei Dinge ausdifferenzieren. Auf der einen Seite: die Idee bzw. die grundsätzliche Ausführung des „Klimabonus“. Und auf der anderen Seite: Wie er tatsächlich umgesetzt wird. Ich darf kurz in Erinnerung rufen: Die türkis-grüne Koalition hat 2022 als Teil ihrer „ökosozialen Steuerreform“ eine CO2-Abgabe eingeführt, die Benzin, Diesel, Gas und Heizöl geringfügig verteuert.
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Im Gegenzug – weil die ÖVP an sich versprochen hatte, keine neuen Steuern einzuführen und den Grünen ein Anliegen war, zu zeigen, „dass sich Klimaschutz auszahlt“ – bekommt die gesamte österreichische Wohnbevölkerung jährlich einen pauschalen Betrag ausgezahlt, „den Klimabonus“. Und zwar regional gestaffelt nach der Öffi-Anbindung der Wohnsitzgemeinde: Wer in Wien („Kategorie I“) wohnt, bekommt „nur“ den Basisbetrag, anderswo gibt es in drei weiteren Ortskategorien bis zum Doppelten davon.
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Ich (Kategorie III übrigens, danke sehr) bin – wie hierorts schon geschrieben – skeptisch, ob das ein sinnvolles System ist. Ich habe große Zweifel, ob man das wirklich für die Akzeptanz der CO2-Abgabe gebraucht hat, ob das System nicht zu grob ist, um die tatsächliche Belastung durch die Bepreisung auszugleichen und, vor allem, ob man das Geld nicht gesamthaft viel sinnvoller hätte einsetzen können – auch und besonders im Hinblick auf Klimaschutz.
Aber das ist eine politische Frage – und es gibt durchaus Argumente, die für einen solchen Bonus sprechen. Viele Ökonomen wie Gernot Wagner – DATUM-Herausgeber Sebastian Loudon hat sich vor einem Jahr länger mit ihm unterhalten – sprechen sich etwa für eine solche direkte Rückerstattung von CO2-Steuern aus, nicht zuletzt, um diese politisch abzusichern.
Weit mehr verteilt als eingenommen
Diese grundsätzliche Frage – Bonus ja oder nein, und wenn ja: wie verteilen – ist die, die seine Verteidiger regelmäßig in den Vordergrund stellen, wenn angezweifelt wird, ob der finanzmarode Staat sich eine solche pauschale Geldverteilung leisten kann und soll. Ich schlage vor, wir lassen das einmal dahingestellt – und unterscheiden davon den real existierenden Klimabonus im Jahr 2024.
Denn der hat mit dem Konzept „wir nehmen Geld aus der CO2-Abgabe ein und verteilen es zurück“ nur tangential zu tun: Tatsache ist, dass Türkis-Grün in seinen letzten Monaten an der Macht beschlossen hat, deutlich mehr Geld als „Klimabonus“ zu verteilen, als durch die Abgabe hereinkommt.
Schauen wir uns das chronologisch an. Im vergangenen Herbst beschlossenen Bundesbudget 2024 hat die Koalition mit Einnahmen aus der CO2-Abgabe von 1,28 Milliarden Euro gerechnet. (Sie finden das auf den PDF-Seiten 18 und 19 der UG16 in den Budgetunterlagen.) Schon dabei hat sie aber veranschlagt, dass diverse Härtefallregeln, die die Abgabe für bestimmte Gruppen abmildern - „Carbon Leakage“ oder „Entlastung Land- und Forstwirtschaft“ z. B. - rund 315 Millionen Euro kosten werden. Netto sollte der Republik also etwas unter einer Milliarde Euro an Einnahmen aus der CO2-Abgabe bleiben.
Das hat die Koalition aber schon vor einem Jahr nicht abgehalten, weit mehr an Auszahlungen zu veranschlagen: Im Budget (UG43, PDF-Seite 22) hat sie Ausgaben von 1,49 Milliarden Euro für den Klimabonus angesetzt.
Der im §3 Absatz 4 Klimabonusgesetz vorgesehene Modus dazu wäre eigentlich folgender: Die Klimaministerin und der Finanzminister schauen sich mitten im Jahr an, wie sich die Einnahmen aus der CO2-Abgabe im vorigen und laufenden Jahr entwickeln – und legen auf dieser Basis per Verordnung die Höhe des Klimabonus fest. Ein Automatismus quasi, aber ein durchaus flexibler, keine starre Formel.
Genau das haben ÖVP und Grüne aber heuer, im Wahljahr, nicht gemacht. Stattdessen haben sie im Mai im Parlament per Initiativantrag die Höhe des heurigen Klimabonus mit dem Sockelbetrag 145 Euro gesetzlich festgelegt.
Im Gegensatz zu einer Verordnung – einem Verwaltungsvorgang, zu dem es Akten gäbe – oder einem ordentlichen Gesetzgebungsprozess – mit Begutachtung und wirkungsorientierter Folgenabschätzung – hat so ein Initiativantrag einen gewaltigen Vorteil für ambitionierte Geldverteiler: Man muss ihn nicht umfassend begründen. Und so findet sich in dem ganzen koalitionären Prozess kein Verweis darauf, wie viel die Auszahlung dieses – gegenüber den 110 Euro 2023 immerhin fast ein Drittel höheren – Klimabonus den Staat kosten wird.
Nun: Inzwischen wissen wir es. In einer Mail an mich, gestern, Montag, beziffert das Finanzministerium die für 2024 erwartete Auszahlung des Klimabonus mit 1,96 Milliarden Euro – also dem Doppelten dessen, was abzüglich der Härtefallregelungen an CO2-Abgaben hereinkommen dürften.
Das Klimaministerium rechtfertigt diese Differenz damit, dass die Abgabe kommendes Jahr ja noch einmal steigen werde – und mit ihr auch die staatlichen Einnahmen daraus. Außerdem habe man bei der ursprünglichen Budgetierung 2023 noch keine vollständigen Jahresdaten über die CO2-Abgabe gehabt, die gab es erst im Frühling.
Trotzdem bleibt – nicht zuletzt auch dank des sinkenden Verbrauchs fossiler Brennstoffe in Österreich – ein deutliches Delta zwischen den für heuer erwarteten Einnahmen aus der CO-Abgabe und den Summen, die die Regierung kurz vor der Wahl an die Österreicher ausgeschüttet hat.
Other people’s money
Das sind Zahlenverhältnisse – manche würden vielleicht auch Taschenspielertricks dazu sagen –über die man reden muss, wenn der Staat gleichzeitig seine Budgets sprengt. Das heißt nicht, dass man den Klimabonus gleich ganz abdrehen muss. Es gibt durchaus Zwischenstufen, man könnte ihn beispielsweise auch vollständig der Einkommenssteuer unterwerfen*.
Aber man sollte ehrlich sein und darüber diskutieren, was die (Ex-)Koalitionsparteien aus ihrer „Rückerstattung der CO2-Abgabe“ gemacht haben: Eine Verteilaktion von Geld, das der Staat nie hatte.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
*Für Steuer-Feinschmecker hätte eine Besteuerung des Klimabonus den nicht zu unterschätzenden Ironieeffekt, dass Arbeitnehmer ein Pendlerpauschale auf ihren regionalisierten Bonus geltend machen könnten 😍)
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