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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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bist du ein Stadtkind? Ich jedenfalls nicht. Bis zu meinem Studium war der Schulbus das einzige öffentliche Verkehrsmittel, mit dem ich mich bewegt habe. Vor meinem Elternhaus in einer steirischen Kleinstadt stehen drei PKWs, einer davon elektrisch, ein anderer dafür ein 20 Jahre alter blauer VW-Käfer. Was der wohl für Emissionswerte hat? Trotzdem fahre ich heute noch manchmal damit. Diese Verkehrssünde zu beichten, ist befreiend. Aber fairerweise gehört gesagt: Auch wenn ich mich jetzt wann immer möglich für Öffis, Rad oder Gehen entscheide, eine echte Wahl hatte ich bei mir am Land eigentlich nie.
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Jede:r fünfte Österreicher:in lebt laut ÖROK in einem Gebiet, das nicht einmal den Mindeststandard an ÖV-Erschließung erfüllt, hat also keinen adäquaten Zugang zu Öffentlichem Verkehr. Unser Land ist noch immer ein ›PKW-Regime‹, wie Forscher:innen der TU Wien es formulieren. In ländlichen Regionen ist dieser Missstand oft mit freiem Auge erkennbar. In der aktuellsten Breitengrade-Geschichte habe ich mir deshalb die acht am schlechtesten angebundenen Gemeinden Österreichs angesehen, dafür bin ich einen ganzen Tag lang quer durch Österreich gefahren. Anfangs Zug, dann Bus und am Ende mit der Gondel bis ins Tiroler Bergdorf Fendels.
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Wie jedes Klimathema hat auch die Mobilitätswende am Land drei große Dimensionen: eine ökologische, eine soziale und eine wirtschaftliche. Die ökologische ist schnell erklärt: Der Verkehrssektor ist nach der Industrie verantwortlich für die meisten Treibhausgasemissionen in Österreich. Um unsere Klimaziele zu erreichen, braucht es hier entschiedene Maßnahmen, in der Raumordnung und beim Öffi-Angebot am Land, am besten im Bündel mit einem Tempolimit und der Eindämmung des Tanktourismus.
Ein Bürgermeister hat mir im Gespräch erklärt: ›Wir haben gelernt, dass wir hier ein Auto brauchen.‹ Jetzt gilt es, das wieder zu verlernen, es braucht eher eine ›Mobilitätswende in den Köpfen‹. Warum fahre ich fünf Minuten mit dem Auto, nur um einen kleinen Einkauf zu machen? Aus Gewohnheit, Bequemlichkeit oder Zeitmangel? Um das zu ändern, brauchen die Menschen attraktive Öffis und damit eine echte Alternative.
›Das können wir uns nicht leisten.‹ Praktisch in jeder der acht Gemeinden habe ich diesen Satz über Mikro-ÖV, also kleine Rufbusse oder Sammeltaxis, gehört. Das Öffi-Angebot sollte sich nach dem Bedarf richten. Ein stündlicher Bus mit drei Fahrgästen ist weder nachhaltig noch rentabel und sollte deshalb mit Mikro-ÖV ersetzt werden. Die Kosten für ein solches Ruftaxi müsste die Gemeinde stemmen, ohne Unterstützung scheitert dieses Vorhaben aber tatsächlich oft am Geld. Das Burgenland zeigt jedoch mit dem Burgenland-Anruf-Sammeltaxi, kurz BAST, dass Mikro-ÖV vom Land finanziert auch landesweit einen Unterschied machen kann. Täglich absolviert das BAST rund 250 Fahrten.
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VON GROßEN UND KLEINEN REISEN
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Breitengrade verbreitert ab dieser Ausgabe sein Angebot. Neben einer Reise in den globalen Süden machen wir jetzt jedes Mal auch andere kleine Ausflüge. Diesmal bleiben wir vorerst in unseren Breitengraden, schwenken dann aber von der nahenden US-Präsidentschaftswahl ins ferne Malaysia, wo das Verkehrssystem anders als bei uns noch nicht so autozentriert ist. Die Insel Penang könnte aus einer Not eine Tugend machen. Zum Schluss möchte ich euch noch ein Buch ans Herz legen und einen Tipp für das Cover-Quiz geben, bei dem ihr ein dreimonatiges DATUM-Abo gewinnen könnt!
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Für ›Löcher im Netz‹ musste ich die Löcher erst einmal finden. Entstanden ist dabei diese Karte. Sie zeigt alle Bushaltstellen und Bahnsteige Österreichs, außerdem habe ich die Gemeinden herausgefiltert, in denen es keine einzige Station gibt und deren Bevölkerung zusätzlich zu hundert Prozent außerhalb der ÖV-Güteklassen liegt.
Die ÖV-Güteklassen sind die Metrik, auf der auch die Auszahlung des Klimabonus basiert. Sie bezieht die Qualität des Verkehrsmittels, die Erreichbarkeit der Haltestelle und die Taktung mit ein. Im Statlas der Statistik Austria kannst du unter dem Punkt ›ÖV-Güteklassen – Gemeinden‹ schauen, wie gut (oder schlecht) deine Heimatgemeinde angebunden ist. Viel Spaß!
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Die US-Wahl steht am 5. November bevor, die erste Debatte der Spitzenkandidat:innen ist vorbei und einmal mehr ist klar geworden, dass in den Vereinigten Staaten nicht nur die Demokratie am Spiel steht sondern auch die globalen Bemühungen um die Bekämpfung der Klimakrise. Die USA sind der weltweit größte Produzent von Öl und Gas, für eine saubere Energieversorgung müssten ganzen Bundesstaaten, wie das derzeit in Nordamerika am meisten Öl produzierende Texas, ihre Identität umkrempeln.
Die Diskussion nach der Debatte wurde hauptsächlich von der Lüge über Haustier-essende Haitianer bestimmt, aber eigentlich verdient die letzte Frage an Kamala Harris und Donald Trump mehr Aufmerksamkeit. Sie lautete: ›Was würden Sie tun um den Klimawandel zu bekämpfen?‹
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Alle Straßen führen nach…
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Die malaysische Insel Penang hat ein Problem: Den Autoverkehr. Stundenlange Staus verstopfen die Straßen, die vielen Autos haben zu wenig Platz auf der gebirgigen Insel. Die Regierung hat deshalb einen Masterplan für die verkehrstechnische Zukunft ausgearbeitet, aber der Finanzierungsplan dafür hat ein Loch. Deshalb will sie drei kleine Inseln verkaufen, um Highways und einen Zug zu bauen, der wie die Wuppertaler Schwebebahn nur auf einem einzelnen Gleis fährt. Die Bauarbeiten führen jetzt schon zu Schwierigkeiten während der Flutsaison und Kritiker:innen warnen davor, dass der Plan den Anteil an Öffi-Nutzer:innen nicht erhöhen würde. Vom Versprechen, dass mehr Straßen zu weniger Stau führen über eine mögliche Grundwasserkontamination durch die Tunnelarbeiten erzählt der Artikel von den einhergehenden Umweltproblem und den Menschen, die zu verhindern versuchen, dass Penang in eine autozentrierte Zukunft schlittert.
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LESEEMPFEHLUNG – ›UNLEARN CO2‹
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Die Klimakrise ist eine Dimension jedes Themas, und vom Verlernen habe ich oben schon einmal kurz geschrieben. ›Unlearn CO2‹ vereint beides und macht ein Buch daraus. In den Beiträgen arbeiten die 14 Autor:innen zu Themen wie Ernährung, Mode, Energie, Recht oder Arbeit heraus, wie uns in diesem Teilbereich eine nachhaltige Transformation gelingen kann, wo wir gerade stehen und wie es weitergehen könnte. Es liest sich sehr kurzweilig und verfügt – was mir sehr gut gefällt – auch für jede Behauptung über Quellenangaben. Passend zur Breitengrade-Geschichte gibt es auch ein Kapitel zu Mobilität.
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Cover-Quiz
Das Cover scheint sich diesmal sehr eindeutig in eine Zeit einzuordnen, aber lasst euch nicht täuschen! Das Problem ist älter, als ihr vielleicht denkt – und das DATUM-Cover auch.
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Vielen Dank für deine Unterstützung!
Zum Schluss nochmal ein großes Danke an dich, dass du DATUM Breitengrade abonnierst, liest und vielleicht sogar weiterempfiehlst. Ich hoffe, dass du dem Newsletter auch künftig als Leser:in erhalten bleibst.
Wenn du diesem Newsletter-Projekt ein wenig helfen möchtest, kannst du das in nur zehn Sekunden tun. Diese Empfehlungs-Mail kannst du direkt an deine Freund:innen abschicken. Danke!
Was haltet ihr von Breitengrade? Habt ihr Verbesserungsvorschläge? Oder Themen, die wir uns genauer ansehen sollten? Schreibt uns gerne an breitengrade@datum.at. Unser nächster Newsletter erscheint am 17. Oktober.
Herzliche Grüße
Paul Koren
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