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Die Folgen eines solchen Systems: Die Vormachtstellung der historischen Großparteien ÖVP und SPÖ wäre auf Jahrzehnte abgesichert. Neue politische Kräfte müssten zuerst Kandidatinnen und Kandidaten in hunderten Gemeinden aufstellen und dort Sitze ergattern, bevor sie auch nur annähernd eine Chance hätten, landes- oder bundesweit Einfluss zu bekommen. Außerdem würden überregionale Themen im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle spielen: Nähe schafft Betroffenheit, also würde sich die politische Debatte wohl primär um Gemeindefragen drehen, die übrige Politik eher nachgeordnet stattfinden.

Eine verkehrte Welt, ein vergleichsweise undifferenziertes Forum für die politische Debatte, meinen Sie? Nun: Ungefähr so läuft die Wahl zur Wirtschaftskammer ab, die von gestern bis Donnerstag in ganz Österreich stattfindet. Rund 600.000 Unternehmerinnen und Unternehmer wählen ihre Landes-Fachgruppenvertretungen – also die Friseure die Friseursvertretung, die Fliesenlegerinnen die Fliesenlegervertreter, und so weiter. Ausschließlich aus dem Verhältnis dieser Ergebnisse setzen sich dann die anderen Gremien zusammen - bis hinauf zum Bundes-„Wirtschaftsparlament“, das etwa den Kammer-Präsidenten wählt.
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Das heißt: Wenn sich ein lokaler Bauunternehmer von den lokalen Wirtschaftsbündlern in der Fachgruppe gut vertreten fühlt, bestätigt er automatisch Harald Mahrer als Vertreter aller österreichischen Kammermitglieder mit. Und umgekehrt müsste er, wenn er Mahrer oder den Kurs der Bundeskammer nicht gut findet, seine lokalen Fachvertreter abwählen, selbst wenn er die eigentlich gut findet.

Macht braucht demokratische Legitimation
Für das aktuelle DATUM habe ich eine kurze Analyse über den beträchtlichen Einfluss der Wirtschaftskämmerer bzw. des Wirtschaftsbundes verfasst, der in den gerade (mehrfach) zu Ende gegangenen Regierungsverhandlungen offenbar geworden ist. Grundsätzlich halte ich die Kammern, inklusive der Pflichtmitgliedschaft und den Zwangsbeiträgen, für eine gute Sache. Das Modell, Regierungen starke institutionelle Standesvertretungen gegenüberzustellen, hat sich besonders hinsichtlich des legendären sozialen Friedens in Österreich durchaus bewährt. Besonders WKO und AK bündeln in ihren Strukturen enorme Expertise – was am Ende allen in Österreich zugutekommt.

Aber vor allem so mächtige und teure Organisationen wie die WKO, die pro Jahr zwischen Bund und neun Länderkammern mehr als eine Milliarde Euro einnimmt und den größten Teil davon aus Beiträgen ihrer Mitglieder, brauchen eine starke demokratische Legitimation. Es sollte nicht so sein, dass auf Beschluss derart indirekt besetzter Gremien viele Millionen Euro aus den Kammern an Parteiorganisationen fließen. Es sollte nicht so sein, dass die Kammern einflussreiche Positionen in der Republik – von den Sozialversicherungen abwärts – beschicken, ohne dass die Opposition das intensiv kontrollieren kann. Es sollte nicht so sein, dass Stimmen je nach Fachgruppe unterschiedliches Gewicht haben, und so weiter. 

Auch wenn es aktuell um die WKO geht: Die genannten Defizite haben die meisten Standesvertretungen gemein – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Die FPÖ hat es mit ihrer Forderung in den Verhandlungen, die Pflichtmitgliedschaft abzuschaffen, übertrieben - und sich nicht zuletzt damit aus selbigen herausgeschossen. Dass jetzt mit ÖVP und SPÖ die stärksten Profiteure des Kammerstaats in der Regierung sitzen, sollte diese aber nicht davon abhalten, das System zu reformieren. Ein Stück mehr demokratische Kontrolle wäre sicher kein Schaden.

Herzlich,
Ihr Georg Renner


PS: Weil auch wir demokratische Kontrolle sehr schätzen: DATUM-Abonnentinnen und -Abonnenten sollten vor ein paar Tagen einen Link zu einer Befragung bekommen haben. Ich möchte Sie ersuchen: Beteiligen Sie sich! Es geht dabei tatsächlich darum, in welche Richtung sich das Magazin weiterentwickeln soll – Ihre Stimme kann dabei einen echten Unterschied machen.

PPS: Auch (Noch-)Nicht-Abonnenten können sich übrigens beteiligen – unter datum.at/umfrage. Und unter datum.at/abo können Sie das mit dem Abonnieren nachholen ;)


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