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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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Eine Woche ist nach dem Amoklauf von Graz vergangen, und schon morgen, Mittwoch, will die Bundesregierung ein umfassendes Maßnahmenpaket vorlegen: Vom Ausbau der Schulpsychologie-Stellen über ein verschärftes Waffengesetz bis hin zu einem Alterslimit in Social Media reichen die Reformen, die die Chefs von ÖVP, SPÖ und NEOS gestern im Nationalrat angeteasert haben.
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Jetzt halte ich die Art, wie unsere politische Elite von Graz bis hinauf zur Bundesebene diese schreckliche Situation moderiert hat, bisher für hochprofessionell, transparent und einfühlsam. Ich verstehe den Impuls – vor allem mit Blick auf die Appelle aus der Dreischützengasse an die Politik, rasch zu handeln –, jetzt entschlossen zu reagieren.
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Und ja: Manche Dinge – die verstärkte Bewachung von Schulen, die Einrichtung eines Entschädigungsfonds, den Ausbau der seit Jahren viel zu geringen Schulpsychologie – kann und soll man so schnell wie möglich umsetzen. Aber bei den komplexeren Fragen geht mir das dann doch etwas zu schnell.
Nehmen wir zum Beispiel eine auf den ersten Blick logische und simple Maßnahme: Dass es künftig unmöglich werden soll, dass das Bundesheer jemanden aus psychischen Gründen für untauglich für den Dienst an der Waffe erklärt – aber dies aus Datenschutzgründen geheim halten muss und derjenige sich dann problemlos privat eine Waffe besorgen kann.
Die Republik testet alle jungen Männer aus und hat so zumindest eine psychologische Schnelleinschätzung, die sie einsetzen könnte, um Schlimmeres zu verhindern. Klingt total einleuchtend und nach „Quick Win“, hat aber einen Rattenschwanz: Bisher gibt es zum Beispiel keine Möglichkeit, gegen die Stellungsuntersuchung Einspruch zu erheben. Warum auch?
Die schlimmste Auswirkung einer solchen Untersuchung war bisher, dass man für untauglich erklärt uns somit von der Wehrpflicht befreit wird – wogegen kaum jemand Einspruch erheben würde, noch dazu, weil die Ergebnisse in aller Regel geheim gehalten werden müssen. Löst man das auf und erlaubt den Behörden in etwa, bei Antrag auf eine Waffenbesitzkarte die Erkenntnisse der Stellungskommission abzufragen, wird man sich wohl auch eine Form des Rechtswegs gegen die Untersuchungsergebnisse überlegen müssen – und deren Folgen.
Was heißt es zum Beispiel, wenn ein ausführlicheres psychologisches Gutachten den Ergebnissen des Heeres-Tests widerspricht? Wäre es dann nicht sinnvoll, dass der offenbar doch Taugliche den Wehrdienst nachholt, und so weiter?
Solche praktischen Folgefragen – von den ideologischen ganz zu schweigen, – gibt es bei allen angesagten Maßnahmen: Wie will man die Einschränkung des Waffenbesitzes auf kleinere Bevölkerungsgruppen vor Umgehung schützen? Bedeutet die Altersgrenze für Social Media eine allgemeine Ausweispflicht im Internet? Wie ist das in beiden Fällen mit der regelmäßigen Überprüfung? Und so weiter.
Alle solche Fragen sollten intensiv diskutiert und geklärt sein, bevor die Regierung dem Nationalrat ein Gesetzespaket vorlegt. Dass es einen Anlass dafür gibt, sollte konstruktive Lösungen und Diskussionen ermöglichen – und nicht gleich wieder vollendete Tatsachen.
Wer eine Woche nach dem tragischen Anlass, lange bevor alle Ermittlungen abgeschlossen sind, schon Lösungen präsentiert, wer jetzt schon alle Antworten haben will, wird zwangsläufig Fehler machen. Und diese gilt es jetzt zu vermeiden. Morgen sollte sich die Regierung auf die oben genannten Sofortmaßnahmen beschränken – und sich für den Rest Zeit nehmen, aus Graz die richtigen Lehren zu ziehen und solide Reformen zu beschließen.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
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