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| Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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| Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, hier ein wenig auf die absurde Fehde der Gebrüder Schellhorn einzugehen und zu erklären, dass in einer pragmatisch-zentristischen Weltsicht problemlos sowohl die NEOS als auch die Agenda Austria recht haben können: Dass das schwarz-rot-pinke „Entbürokratisierungspaket“ eine anständige Vorlage ist – und dass es natürlich noch viel zu wenig ist.
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Viel schwerer wiegt, was US-Präsident Donald Trump und sein Team ebenfalls am selben Wochenende als neue „US Security Strategy“ verschriftlicht haben. Am besten lesen Sie die knapp 30 Seiten selbst – es ist nicht schwer zu verstehen, was die US-Regierung von Europa hält. (Für Feinspitze hat Sicherheitspolitik-Expertin Ulrike Franke die neue Strategie hier mit jener von 2017 verglichen.)
Die Schlüsselstelle:
„But this economic decline is eclipsed by the real and more stark prospect of civilizational erasure. The larger issues facing Europe include activities of the European Union and other transnational bodies that undermine political liberty and sovereignty, migration policies that are transforming the continent and creating strife, censorship of free speech and suppression of political opposition, cratering birthrates, and loss of national identities and self-confidence.“
Trump und die Seinen hätten Europa gern als „a group of aligned, sovereign nations“, die sowohl ein braver Verbündeter (vor allem finanziell) darin sind, Chinas Einfluss im globalen Süden zu kontern – als auch gleichzeitig als fleißiger Abnehmer amerikanischer Güter und Dienstleistungen.
Jetzt ist nicht alles dumm und falsch, was in dieser Strategie steht; dass die EU-Staaten unfähig sind, in der Ukraine-Politik eine gemeinsame Linie zu fahren, zum Beispiel; dass sie ihre eigene Verteidigung über Jahrzehnte schleifen haben lassen und dass die Union handfeste politische und wirtschaftliche Probleme hat, hat auch diesseits des Atlantik schon der eine oder andere mitbekommen. (Wir hatten im Vorjahr eine ganze DATUM-Ausgabe zu dem Thema.)
Aber die Schlussfolgerungen in der offiziellen White-House-Sicherheitsstrategie sind nichts weniger als eine Kampfansage an Brüssel und sämtliche gemäßigten Parteien Europas. „America encourages its political allies in Europe to promote this revival of spirit, and the growing influence of patriotic European parties indeed gives cause for great optimism“, heißt es auf Seite 26. Diverse „europakritische“ und Xit-Parteien dürfen angesichts solcher Unterstützung frohlocken.
Auch wenn das alles düster ist: Nehmen wir uns einen Moment, um anzuerkennen, dass die Europäische Union bei all ihren Schwächen ganz offensichtlich etwas richtig macht. Autokraten wie Wladimir Putin versuchen sie nach Kräften zu zerstören. Und auch die USA, die sich zunehmend als geopolitischer Rivale gebärden, hätten lieber wieder mit einer Reihe (gefolgsamer) Einzelstaaten zu tun.
Warum, ist offensichtlich: Weil die wirtschaftliche Macht eines 400-Millionen-Einwohner-Blocks viel schwerer wiegt als jene von 27 kleinen bis mittelgroßen Staaten – wie Herr Musk gerade herausfinden muss. Einem Unternehmen, das seine Waren in der Union anbieten will, drohen Strafen, wenn es sich nicht an die hier beschlossenen Regeln hält.
Gerade für einen Kleinstaat wie Österreich, der ohne die Union dem Spiel der Konzerne und Großmächte vollends ausgeliefert wäre, sollte die Schlussfolgerung aus diesem transatlantischen Bruch klar sein: So wie wir auf wirtschaftlicher Ebene in der Geschlossenheit der EU gut aufgehoben sind, sollten wir die Union auch politisch wie militärisch stärken.
Dazu wird es nicht reichen, wenn EU-Enthusiasten sich jetzt stolz Sternenbanner in die Profilbilder laden und ihre Hand – so nicht, Herr Präsident! – gen Washington schwenken. Die Republik sollte eine Vorreiterrolle darin einnehmen, der Kommission mehr Kompetenzen in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu übertragen – und ihr die Mittel dafür in die Hand geben. Zum Beispiel, indem man, zumindest im EU-Kontext, politisch anerkennt, dass die heimische Neutralität nichts mehr taugt. Und dass die EU-Verträge neu aufgesetzt gehören. Eine Reformpartnerschaft für ganz Europa sozusagen, Österreich hat schon weit schlechteres exportiert.
Freunde macht man sich damit jenseits der Außengrenzen wahrscheinlich keine. Aber viele sind dort eh nicht mehr übrig, wie man sieht.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
PS: Wenn wir schon bei EU-Themen sind, möchte ich Ihnen die exzellente, werktägliche „Morning Post Europe“ ans Herz legen, in der die drei Brüsselkenner Oliver Grimm, Christian Spillmann und David Caretta hintergründig, kritisch und ohne Europathos die Unionspolitik analysieren. Mein Medienfund des Jahres.
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