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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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Das hier ist nach offizieller Zählung - ich bitte um ein ernstes, aber feierliches Hurra - der 100. Leitfaden.
Darum zunächst zweimal Danke. Ihnen dafür, dass Sie hier dabei sind – ich hoffe, Sie haben den einen oder anderen nützlichen Gedanken mitnehmen können. Und zum anderen den DATUM-Kolleginnen und Kollegen, die mir hier Raum und Plattform geben – ich hoffe, sie haben etwas davon. (Hier könnten Sie übrigens nachhelfen – zum Beispiel, indem Sie unseren Journalismus mit einem DATUM-Abo unterstützen.)
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Und wenn wir schon bei der Nabelschau sind, möchte ich dieses Jubiläum nutzen, ein paar Ereignisse der vergangenen Wochen aufzugreifen: Erstens, die Qualitätsmedienförderung für „Exxpress“; zweitens die deutsche Bundestagspräsidentin, die die Methoden der Exxpress-Mutter Nius mit jener der TAZ gleichsetzt; drittens die Sparprogramme in heimischen Medien: nach allem, was ich aus den Verlagen des Landes so höre, wird es ein blutiger Herbst in meiner Branche – die gestern bekannt gewordene Streichung des Online-Newskanals von puls24 dürfte nur der Anfang gewesen sein.
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Es wäre übertrieben, jetzt mit dem Sprichwort zu kommen, „vor ein paar Wochen standen wir vor dem Abgrund – jetzt sind wir ein paar Schritte weiter“. Aber nicht sehr. Die privaten Medien in Österreich sind in einer miserablen wirtschaftlichen Lage – die Transformation vom analogen Industrieprodukt Zeitung zum digitalen Journalismus als Dienstleistung ist aus einer ganzen Reihe von Gründen misslungen.
Vieles davon sind Technologie- und Marktfaktoren – allen voran die Abwanderung eines großen Teils privater Werbung zu den US-Internetriesen. Aber es wäre vermessen, den Einfluss politischer Entscheidungen auf den Medienmarkt kleinzureden. Staatliche Förderungen – formal so benannte und die willkürlich als „Inserate“ vergebenen – waren viel zu lange darauf ausgelegt, jene Unternehmen zu stützen und zu erhalten, die schon lange da und Teil mächtiger Lobbys waren. Erst in den vergangenen Jahren hat sich das stückweise geändert und kleinere Förderungen für Startups und neue Medienprojekte haben begonnen, zu wirken.
Wenn die Regierungsparteien im Zuge der Budgetkonsolidierung alle Subventionen durchgehen, sollten sie auch die Medienförderungen – von der klassischen Presseförderung bis zum gesamten Werbetopf von Bund und Ländern – unter die Lupe nehmen und schonungslos Bestand aufnehmen: Welche Ziele will der Staat erreichen und wie gelingt das am effizientesten?
Ein simples Fortschreiben des Status Quo wird da nicht mehr lange eine Option sein: Allein, um den derzeitigen Zeitungsbestand zu erhalten, müsste die Republik Jahr für Jahr mehr Geld investieren. Das wird – ganz abseits von Unabhängigkeitsüberlegungen, die sich mit steigendem Staatsanteil am Umsatz verschärfen – nicht mehr lange gut gehen.
Die Republik wird sich sehr gut überlegen müssen, in welche Richtung sich der heimische Medienmarkt entwickeln soll – und dann ein Fördersystem aus einem Guss entwerfen, das dorthin steuert. Tut sie das nicht, werden sich jene „alternativen“ Medien durchsetzen, denen Kollege Luis Paulitsch von der DATUM-Stiftung gerade ein exzellentes Buch gewidmet hat: Finanziert von Oligarchen oder direkt von politischen Akteuren, mit KI-Tools und einer Rumpfmannschaft ohne journalistischen Anspruch darauf aus, die bestehende Ordnung niederzuschreiben.
Wenn es Ihnen wie mir geht, geht Ihnen die Selbstbeweihräucherungstendenz von uns Journalisten viel zu weit. Keine anderen Branche vergibt sich selbst so viele Preise, niemand anderer beschreibt Kollegen so häufig als „die fantastische“, kaum jemandem ist sein eigenes Wort so wichtig. Stimmt eh alles; aber wenn ihnen die selbstverliebte Journalistenzunft auf den Nerv geht, warten Sie ab, bis sie die ohne diesen Anspruch sehen.
Wie wir an den zahlreichen alternativen Medien sehen, die rechts und links aus dem Boden schießen: Das einzige, was Journalisten davon abhält, für Quote und Herausgeber völligen Unsinn ins Netz zu pusten, ist unser eigener Anspruch an uns selbst. Sobald es uns nicht mehr peinlich ist, Fehler zu machen, ist die Medienlandschaft eines Landes ganz schnell abgesandelt. Denn ökonomisch zahlt es sich zumindest kurzfristig nie aus, einen Fehler zu korrigieren – solang ein guter Teil des Publikums einen Artikel für richtig hält, wird er weit mehr Reichweite finden als ein sauber redigierter.
Das ist der Grund, warum Klöckners Gleichsetzung von Nius und Taz so ärgerlich, warum die „Qualitäts“-Förderung für den Exxpress ein Affront ist. Die Medienpolitik – allen voran der zuständige Minister, Andreas Babler von der SPÖ, hat jetzt die wenig beneidenswerte Aufgabe, diese Unterscheidung zwischen gutem Journalismus und „Alternativmedien“ erstens in eine verfassungskonforme Förderdefinition zu bringen („I know it when I see it“ wird zu wenig sein) und zweitens eine Mehrheit für eine solche Förderung zu finden.
Es wäre wichtig. Diese Entscheidungen in dieser Legislaturperiode werden, so leid es mir tut, das zu sagen, prägen, was für ein Journalismus in Österreich nach der Ära der Zeitungen Öffentlichkeit herstellen wird. Mein Hoffnung wäre, dass es ein guter ist.
Herzlich,
ihr Georg Renner
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© Satzbau Verlags GmbH
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