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Gestatten, Renner. 

Ich will mich nicht allzu lange mit einer Einleitung aufhalten – wenn Sie diesen Newsletter abonniert haben, wissen Sie wahrscheinlich schon ungefähr, wer ich bin und was Sie von mir erwarten können. Trotzdem, zur Sicherheit: Ich bin Niederösterreicher, seit 16 Jahren Journalist, habe in dieser Zeit für Die Presse, NZZ.at, Addendum und zuletzt als Innenpolitik-Chef der Kleinen Zeitung gearbeitet. Ich beobachte und kommentiere den Lauf der österreichischen Politik, versuche dabei immer, einen Schritt zurück von der Tagespolitik zu machen und das große Ganze zu sehen – und ab heute tu‘ ich das jede Woche hier, im DATUM-Leitfaden. Schön, dass Sie dabei sind.

So, zur Sache. Ich hoffe, Sie erwarten hier nicht Gags, Gags, Gags, denn mein Verdacht ist, erstens, dass der Markt an lustigen Ipo-Newslettern hierzulande schon recht gesättigt ist, und zweitens fürchte ich, dass die Lage zu Beginn des letzten Jahres der türkis-grünen Legislaturperiode überhaupt nicht zum Lachen ist.

Regieren war schon einmal einfacher
Also: Österreichs Wirtschaft ist im zweiten Quartal des Jahres überraschend geschrumpft, unser wichtigster Handelspartner Deutschland krankt ohne Aussicht auf baldige Besserung. Die Teuerung ist bei uns weiterhin hoch, im August lag sie bei 7,5 Prozent, ein Rebound nach einem leichten Rückgang im Juli. Gestiegen ist auch die Arbeitslosigkeit – auf niedrigem Niveau, trotzdem kein gutes Zeichen. Und nächstes Jahr dürfte der Gasfluss aus Russland – jahrzehntelang Lebenselixier der hiesigen Industrie – versiegen.
Außerdem laufen gerade zahlreiche Hilfs- und Förderprogramme der vergangenen Jahre aus, was die Stimmung im Land, seit Covid ohnehin im Keller, eher nicht heben wird. Länder und Gemeinden stehen beim Finanzminister mit der (grundsätzlich nicht falschen) Botschaft auf der Matte, sie bräuchten einen immer größeren Anteil am Steuerkuchen. Das alles vor dem Hintergrund des fatalen Klimawandels, einer Demographie, die das System in den kommenden Jahrzehnten massiv belasten wird, breiter Ablehnung von Immigration, eines Bildungssystems, das viele zurücklässt, eines Gesundheitswesens, das an allen Ecken und Enden bröckelt, sowie einer im weltweiten Vergleich hohen Abgabenbelastung, besonders auf Leistung.

Das ist alles eher unerfreulich.

Was es zu einem Großteil auch ist: nicht unmittelbar die Schuld der aktuellen Regierung. Türkis-grün hat mehr strukturelle Akzente als seine Vorgängerkoalitionen gesetzt, und die werden Österreich auf Jahre prägen: Die Abschaffung der Kalten Progression und fühlbare Steuersenkungen, das Erneuerbaren-Ausbaugesetz, die CO2-Abgabe und das Klimaticket stehen auf der Haben-Seite einer Koalition, die nebenbei noch mit Details wie dem (holprigen) Management einer Pandemie und den Bugwellen des russischen Überfalls auf die Ukraine beschäftigt war. Bei aller Kritik, die man an diesen und anderen Maßnahmen üben kann: Türkis-Grün ist besser als sein Ruf.
 
 
 
 
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Das wiederum ist aber erstens nicht besonders schwer und zweitens nicht genug. Die Frage, wer dafür verantwortlich ist, dass Reformen im vergangenen Jahrzehnt verschlafen worden sind, als Geld billig und die Wirtschaft gesund war, ist ebenso spannend wie sekundär. Wichtiger ist, wer sie jetzt angeht. Und da kann sich die Koalition nun nicht zurücklehnen und darauf berufen, eh das Regierungsprogramm abarbeiten zu wollen. Mit Beispielen wie Erneuerbare Wärme-, Klimaschutz- und Informationsfreiheitsgesetzen, automatischem Pensionssplitting oder Einführung einer Behaltefrist bei Wertpapieren ist da zwar noch eine ganze Latte offen, ohnehin recht ambitioniert für die verbleibenden Monate.

Punkt 1: Repariert die Beamtenschaft
Darüber hinaus gäbe es aber genügend Dinge, die dringend einer Erledigung harren und die von Jahr zu Jahr schwerer zu reformieren sein werden. Drei Beispiele: Erstens muss, weil er Voraussetzung für alles andere ist, der Öffentliche Dienst repariert werden. Das umfasst einerseits, dass die Regierung schleunigst seit Monaten vakante Posten wie an der Spitze von Bundeswettbewerbsbehörde oder Bundesverwaltungsgericht besetzt (was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte). Andererseits braucht es, wie die vergangenen Jahre klar zeigen, eine Absicherung der Beamtenschaft gegenüber der Politik. Das sollte ohnehin im Interesse jeder Partei sein, denn noch ist bei Weitem nicht sicher, wer in der nächsten Regierung sitzen wird. Bewerbungsverfahren müssen transparenter gemacht, Besetzungen objektiviert werden – die Initiative „Bessere Verwaltung“ hat einige gute Vorschläge dazu auf Lager.

Zweitens: Es führt kein Weg an den Pensionen vorbei. Seit Wolfgang Schüssels Anpassung des Frauenpensionsalters und längeren Durchrechnungszeiten hat sich keine Koalition mehr an die Grundzüge des Systems herangewagt – mit dem Effekt, dass mehr und mehr Milliarden in das System zugeschossen werden müssen. Und das bei steigender Lebenserwartung und gewaltigen Kohorten, die in Pension gehen, während allerorts Arbeitskräfte fehlen. Gute Vorschläge – von einer jährlichen Anhebung des Antrittsalters, wie sie Ex-Sektionschef Walter Pöltner empfiehlt, bis zu steuerfreiem Zuverdienst im Ruhestand, wie ihn die WKO präferiert – gibt es genug, es braucht nur Mut.

Drittens: Der Finanzausgleich sollte Chefsache werden. Weil hier auch die SPÖ-Landeshauptleute und -Gemeindevertreter und damit die überwiegende Mehrheit des politischen Personals der Republik mit am Tisch sitzen, gibt es da einen gewaltigen Hebel, substanzielle Reformen von Kinderbetreuung bis zu Spitälern in Gang zu setzen. Das ist eine Sache, die weit über Finanz- und Gesundheitsminister und ja, über die Regierung hinausgeht – hier sollte sogar der Bundespräsident, als Oberhaupt des Gesamtstaats, sein Gewicht in die Waagschale werfen.

Viele verlorene Jahre kann Österreich sich nämlich nicht mehr leisten. Und rein beliebtheitsmäßig hat die Koalition kaum mehr etwas zu verlieren – aber, mit solider Arbeit, viel zu gewinnen.

Zum Schluss noch eine Bitte: Ich freue mich über jede Art von Reaktionen: Kritik, Lob, Zitate und Empfehlungen – hier oder gern auch öffentlich via Social Media. Besonders erfreulich wäre es, wenn Sie dabei auch noch auf die Signup-Page dieses Newsletters verweisen und/oder ein DATUM-Abo abschließen – beides erhöht recht signifikant die Wahrscheinlichkeit, dass wir hier länger voneinander lesen können.

Bis nächste Woche,
gr
 
 
 
 
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