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Liebe Leserinnen und Leser!
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Die Steirer haben gewählt, und das Ergebnis ist jenes, an dem ÖVP und SPÖ, die dort bisher zusammen regiert haben, im Bund nur um Haaresbreite vorbeigeschrammt sind: Die Parteien der ehemals „Großen Koalition“ haben keine Mehrheit mehr, klarer Sieger ist die FPÖ unter Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek. Das ist erstens eine Entwicklung, die nicht besonders überraschend ist, und zweitens eine, an die wir uns langsam gewöhnen sollten: Ob man es gut oder schlecht findet, die Zweite Republik mit ihrem Machtduopol in rot und schwarz ist vorbei.
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Im Rausch der Wahlnacht hat sich die hart abgestürzte steirische Volkspartei von Landeshauptmann Christopher Drexler mehrfach dazu verstiegen, sich als Opfer der Entscheidung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen darzustellen. Dieser habe nicht FPÖ-Obmann Herbert Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung im Bund erteilt und damit die Wählerschaft der Freiheitlichen noch befeuert.
Auch wenn ich, wie an dieser Stelle bereits erörtert, ebenfalls finde, Van der Bellen hätte Kickl beauftragen sollen: Die These, die ÖVP habe seinetwegen verloren, scheint mir ausbaubar.
Taktische Hilflosigkeit
Zum einen hat die FPÖ in der Steiermark schon bei der Nationalratswahl im September ein Rekordergebnis von 32 Prozent der Stimmen erhalten, die ÖVP ist damals auf dieselben 27 Prozent abgestürzt, die sie auch jetzt bei der Landtagswahl erhalten hat. Da war von Regierungsauftrag naturgemäß noch lang keine Rede. Andererseits war Drexler selbst seit Langem eine der vielen ÖVP-Stimmen gegen eine Zusammenarbeit mit Kickl: „Mit der FPÖ unter Kickl ist das nicht möglich“, hatte der Landeshauptmann etwa vor einem Jahr im Gespräch mit den Bundesländerzeitungen erklärt. Die Logik, dass der Bundespräsident jemanden, den man selber explizit in keiner Bundesregierung stützen wollte, mit einem eben deswegen zum Scheitern verurteilten Auftrag belehnen hätte sollen; und dass man dadurch, dass er das nicht getan habe, zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, obwohl alle Umfragen seit mehr als einem Jahr auf eben dieses Scheitern hingewiesen hatten – diese Logik erschließt sich mir nur bedingt.
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Für mich lässt das nur einen Schluss zu. Drexler und seine Leute sagen da, dass sie aus taktischer Hilflosigkeit gerne gesehen hätten, dass Van der Bellen Kickl in Wien wochenlang leere Meter machen lässt, damit die Steirer sagen könnten: Schaut, der bringt nichts zusammen (weil auch die steirische ÖVP im Bund keine Koalition mit ihm schließen will). Das wären parteipolitische Spielchen auf Kosten der Republik, die nun wirklich keinem fehlen.
Wie man erfolgreich Politik macht
Aber lassen wir das einmal beiseite – und sprechen wir darüber, wie es weitergehen sollte, in der Steiermark und im Bund. Bundespräsident hin, steirische Landesverfassung, die der stärksten Fraktion die Initiative zur Bildung einer Landesregierung zuspricht, her: Am Ende geht es darum, wer es schafft, unter den vom Wähler zugeteilten Mandaten eine absolute Mehrheit zu bilden. Weder die 29 Prozent der FPÖ im Bund noch die 35 in der Steiermark reichen dafür aus: Wenn die Freiheitlichen sich mit Partnern zusammentun, um diese Mehrheit zu bilden, ist es genauso legitim, wie wenn das andere Parteien gegen sie tun.
Meine Prognose ist, dass Mario Kunasek diese Mehrheitsfindung gelingen wird, Herbert Kickl aber nicht; der eine wird Landeshauptmann, der andere aber nicht Kanzler. Das hat weniger mit der FPÖ-Programmatik zu tun, zu der man stehen mag, wie man will – aber viel mit dem politischen Teil von Politik. Der besteht eben – siehe oben – darin, Mehrheiten zu finden, Allianzen zu bilden, sich mit anderen Staatsorganen arrangieren zu können. Wer Brücken abreißt, seine Gegner ohne Rücksicht auf Verluste als Verbrecher, Mumien und sonstwas bezeichnet und sich als einzig legitime Vertretung des Volkes bezeichnet, muss sich nicht wundern, wenn nach der Wahl keiner mehr mit ihm will.
Dass die steirischen Freiheitlichen zumindest aus der Fernsicht weit konzilianter Wahlkampf geführt haben, hat ihnen den Vorteil gebracht, dass keine der beiden anderen mittelgroßen Parteien sie als Koalitionspartner ausgeschlossen hat – und wird ihr jetzt möglicherweise ihren ersten Landeshauptmannsessel nach Jörg Haider in Kärnten einbringen.
Wenn das so kommt, steckt auch ein Signal drin, wie man erfolgreiche Politik machen sollte – und wie nicht. Und zwar bei Weitem nicht nur in Richtung Hofburg.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
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