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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass es diesmal keinen Breitengrade-Text im aktuellen Heft gibt. Der Grund dafür ist simpel: Ich war zu krank, um ihn rechtzeitig fertig zu schreiben. Meine Recherche zu rechtsextremer Ökologie erzähle ich euch deshalb in drei Teilen über den Sommer direkt hier im Newsletter. Schickt ihn gerne weiter, wenn er euch gefällt. Ich finde, dem Thema wird in Österreich noch viel zu wenig Beachtung geschenkt. Aber jetzt zur Geschichte.
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Der große Mann mit Rauschebart im rot-schwarz-karierten Hemd schwenkt eine ausgefranste gelbe Flagge. Auf der Demonstration in Wien dreht sich alles um diese gelben Flaggen, sie sind Zeichen der rechtsextremen ›Identitären Bewegung‹. Stefan R. protestiert damals am letzten Julitag 2021 mit rund 500 anderen – darunter auch ein Mitglied der rechtsterroristischen ›Sächsischen Separatisten‹ – dagegen, dass die Republik Österreich ihre Symbole vor wenigen Tagen gesetzlich verboten hat. Fast vier Jahre später fliegt er deshalb aus dem Vorstand einer Tiroler Ortsgruppe der österreichischen Naturfreunde, bei der er jahrelang Mitglied war. Eine Organisation, die sich für Umweltschutz einsetzt, aus der sozialistischen Arbeiterbewegung entstanden ist und während der NS-Zeit verboten war.
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Was macht ein Sympathisant* der Identitären bei den Naturfreunden? Das hat man sich im Bundesvorstand wohl auch gefragt. Gehandelt wurde jedenfalls schnell und konsequent: Innerhalb von zwei Tagen nach Bekanntwerden der Antifa-Recherchen zu Stefan R.s rechtsextremer Einstellung wurde er aus Vorstand und Vereinsregister entfernt. Weitere solche Fälle seien ihnen nicht bekannt, schreiben die Naturfreunde auf Anfrage. Ob nun interne Maßnahmen getroffen werden, um Anschlussversuche von der extremen Rechten zu verhindern, wird aktuell besprochen. Nicht umsonst hat die deutsche Schwesterorganisation der Naturfreunde eine eigene ›Fachstelle für Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz‹ eingerichtet, die sich in zahlreichen Workshops und Publikationen mit rechtsextremem Gedankengut im Umwelt- und Naturschutz beschäftigt.
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Stefan R. auf der Demo der Identitären am 31.7.2021. Gelb und schwarz sind die Farben der rechtsextremen Gruppe. Foto: Presseservice Wien
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Was bei uns in Österreich also noch als Einzelfall gilt, wird in Deutschland als ernstzunehmendes Problem gesehen. Der deutsche Naturschutzbund (NaBu) hat in einer eigenen Studie Einflugschneisen für rechtes Gedankengut in der Organisation herausgearbeitet. Dazu zählen neben den offensichtlicheren Anknüpfungspunkten wie Naturschutz als ›Heimatschutz‹ auch etwa ›Neobiota‹. Diese gebietsfremden Arten verdrängen lokale Tiere und Pflanzen und beschädigen so das Ökosystem. Das wird von rechten Gruppen auf die Gesellschaft umgelegt und so gegen Migration gehetzt. Konkrete rechte Aktivitäten betreffen laut der NaBu-Studie die Hälfte aller Landesverbände, in Ostdeutschland sind es sogar 80 Prozent.
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Die Neue Rechte will sich die Natur zurückholen, und was heute als links gilt wieder auf rechts drehen. Dieser Trend zeichnet sich nicht erst ab, seit AfD-Frontmann Björn Höcke den ›heimathassenden Grünen‹ das Naturschutzthema wieder ›entwenden‹ will, wie er im Interview mit dem rechtsextremen Magazin ›Die Kehre‹ sagt. Und er macht auch nicht beim Einfluss in Umweltschutzorganisationen halt. In Deutschland wird diese Debatte längst geführt, es gibt eigene Forschung und Studien dazu. Ist Österreich eine Insel der Seligen oder sehen wir hierzulande nicht genau genug hin?
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Einer der wenigen Ansprechpartner aus der österreichischen Forschung ist Stefan Rindlisbacher, Historiker am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Der Schweizer beschäftigt sich mit der ›neuen ökologischen Rechten‹ im DACH-Raum. ›Der Naturschutz war von Anfang an mit rechtsextremen Ideen verknüpft‹, sagt Rindlisbacher, ›und diese völkischen, rassistischen Ansätze hat man sich bisher – gerade in Österreich – überhaupt nicht angeschaut.‹ Das habe sich vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die Nachkriegszeit fortgesetzt. Die ersten Protestmärsche gegen das AKW Zwentendorf seien etwa von rechten Akteuren organisiert worden. In den 80ern wurden diese dann aus der Umweltbewegung verdrängt. Doch dass Ökologie ein historisch rechts und konservativ besetztes Thema ist, hat die Neue Rechte bald wiederentdeckt.
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Bereits in den ersten Ausgaben des FPÖ-nahen rechtsextremen Mediums info.direkt finden sich erstaunlich viele Artikel zu Ökologie, Landwirtschaft und Naturschutz. Auf einer Seite wird vor Massenmigration gewarnt, auf der nächsten steht ein Inserat eines ›Russischen Balls‹ und danach ein Artikel zu Urban Gardening. Auffällig sind auch mehrere Hinweise auf Sommercamps des österreichischen Alpenvereins. Der ÖAV sagt auf Anfrage, man wisse davon nichts, distanziere sich aber klar von dem rechtsextremen Gedankengut. Konkreten Hinweisen auf extremistische Anschlussversuche gehe man im Einzelfall nach, aktuell sei das aber weder in der Jugendbewegung noch allgemein Thema.
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Die österreichischen Alpen selbst sind ebenfalls Zeugen, dass sich rechtes Gedankengut immer wieder einen grünen Mantel umhängt und erst auf den zweiten Blick sichtbar wird. Viele Kletterrouten fallen mit einschlägigen Namen auf: ›Weiße Kraft‹, ›Swastikaar‹ oder ›Riefenstahl‹. Sie alle nehmen Bezug zum NS-Regime und wurden vom Kletterer Thomas Behm so genannt. ›Behm hätte ich früher als links eingeschätzt‹, sagt Dieter Schimanek, Bereichssprecher für Klettersport der Naturfreunde Österreich. Dass er aber das Recht missbraucht, als Erstbesteiger die Routen zu benennen, sei nicht tolerierbar. Die alpinen Vereine haben deshalb gemeinsam entschieden, Behm zu boykottieren. Das bedeutet: Keine Inserate in seinen Kletterführern mehr und auch kein Verkauf dieser Publikationen. Umbenennen können sie die Routen aber nicht, nur ›Druck ausüben‹, wie Schimanek sagt. Das hindert Behm nicht daran, auch weiterhin neue Kletterführer zu publizieren, zuletzt etwa ›Keltenkalk 4‹. Im März 2025 haben Antifa-Aktivisten einen Klettersteig zerstört, den Behm mit FPÖ-Chef Herbert Kickl gemeinsam erstbegangen hat. Der Staatsschutz ermittelt.
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Thomas Behm schreibt seit Kurzem auch in dem rechtsextremen Magazin aus Deutschland, dem Björn Höcke ein Interview gab und das uns noch in einem späteren Newsletter beschäftigen wird. Es ist Teil des Ökosystems, das die Neue Rechte um das Thema aufbaut. Genauso wie die Plattform ›Ein Prozent e.V.‹ deren Gründer den Verein einmal als ›Greenpeace für Deutschland‹ bezeichnet hat. ›Die deutsche und die österreichische rechtsextreme Szene sind stark verbunden. Gerade die neuen Rechten gehen ja über die Grenze hin und her, wie sie wollen‹, sagt Historiker Rindlisbacher.
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Die Identitären kämpfen längst um die Deutungshoheit im Umweltbereich, sie suchen Anschluss im völkischen Milieu und hinterlassen Spuren auch in Österreich. Im nächsten Teil dieser Geschichte führt uns das zu einer rechtsesoterischen Öko-Sekte und auf einen Bauernmarkt mitten in Graz.
Die Fortsetzung liest du im nächsten Newsletter, der am 17. Juli erscheint.
*Bei den Identitären gibt es keine formale Mitgliedschaft
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Zum Abschluss noch ein kurzer Hinweis auf die heute erschienene DATUM-Sommerausgabe. Wir haben uns angesehen, wie das Phänomen Booktok über Social Media den österreichischen Buchmarkt belebt. Und wenn ihr noch nach gutem Lesestoff sucht, werdet ihr bei den Buchempfehlungen der DATUM-Redaktion fündig!
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