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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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Sie haben es vielleicht schon gehört: Am Wochenende hat Johannes Pietsch als Vertreter des ORF den Eurovision Song Contest gewonnen. Für den Nationalstolz mag das schön sein, aber der Preis kommt mit einem heftigen Preisschild: Der ORF ist entlang seiner Beteiligung am Eurovision-Komplex in der European Broadcasting Union verpflichtet, den Bewerb kommendes Jahr auszurichten.
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Als Kostenpunkt wird da ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag anzusetzen sein – 2015, als der ORF das letzte Mal zum Zug gekommen ist, hat das rund 25 Millionen Euro gekostet; die Schweizer, die heuer dran waren, nahmen mehr als 60 Millionen Franken in die Hand. Beides jeweils unter beträchtlicher Beteiligung der öffentlichen Hand, auch über die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten hinaus.
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Dazu kommt, dass Österreich gerade nicht allzu viel Geld zu verteilen hat: Der Bund hat vergangene Woche ein Sparbudget für dieses und kommendes Jahr vorgestellt, die Stadt Wien wird – wie alle Länder und Gemeinden – dasselbe tun, und den ORF hat die Koalition verpflichtet, die Haushaltsabgabe bis Ende 2029 nicht zu erhöhen, Inflation hin oder her. Allein dafür, seinen Betrieb aufrecht halten zu können, erlaubt der Nationalrat dem öffentlich-rechtlichen gerade, sein Reservekonto anzuzapfen – das war schon der Plan, bevor das mit dem Song Contest bekannt war.
Spaßbremse? Hier Stellung.
Ich bin am Wochenende schon ein paar Mal als Spaßbremse und Mieselsüchtler tituliert worden, als ich darauf hingewiesen habe, dass die Symbolik eine verheerende sein wird: Während die Familienbeihilfe entwertet, Pensionisten Krankenversicherungsbeiträge erhöht und Klimaförderungen weit über ein verantwortungsvolles Maß hinaus gestutzt werden, wird für eine Großstadt-Party auf einmal wieder genug Geld da sein. (Und es wird eine Großstadt werden – sorry, Oberwart; sorry, Wels –, weil überall anders die Infrastrukturkosten noch höher wären.)
Ich glaube, wer da jetzt mit „die paar Millionen werden doch noch drin sein“ und großen Triumphgesängen kommt, verkennt die Stimmungslage im Land gewaltig.
Es hat einen Grund, warum der Dienstwagen von Außenministeriums-Staatssekretär Josef Schellhorn - der Sache nach ein Mangel an politischem Gespür, aber kein großes Ding – seit Wochen in jedem Warteraum, beim Friseur und in den Öffis und sowieso auf Social Media Thema ist: Wenn eine Regierung – zurecht – die Bevölkerung darauf einstimmt, dass jetzt alle eine Zeit lang finanziell zurückstecken werden müssen, für Luxusausgaben aber dann doch offenbar wieder Geld da ist, ist das pures Gift.
Es wird nichts helfen, wenn man darauf verweist, dass so ein Event wie der Song Contest ja unterm Strich mehr Geld bringen würde – erstens kann man solche Rechnungen in einem ohnehin gut ausgelasteten Tourismusland wie Österreich durchaus infrage stellen. Und zweitens bin ich skeptisch bezüglich der Umverteilungswirkung vom gebührenfinanzierten Sender, der die Party ausrichtet, zu den privaten Hoteliers und Lokalen, die den Gewinn haben.
Der billigstmögliche Song Contest
Der ORF und die Republik werden sich jetzt entscheiden müssen, wie sie in diesem Setting damit umgehen, den Bewerb „gewonnen“ zu haben. Ich persönlich fände angesichts der Einsparungen an allen Ecken und Enden und der Tatsache, dass Österreich, anders als beim Musikbewerb, auf dem letzten Platz der EU-Wachstumsprognose liegt, eine Absage durchaus vertretbar.
Aber wenn es unbedingt sein muss, dann würde ich allen Verantwortlichen zumindest empfehlen, den billigst möglichen Song Contest seit Jahrzehnten auszurichten. Und das in jedem einzelnen Statement zu betonen.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
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