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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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Vielleicht bekommen wir in den nächsten Tagen eine neue Regierung, vielleicht aber auch nicht, ich bin diesbezüglich etwas vorsichtig geworden. Mein Vorschlag: Statt wild zu spekulieren, warten wir ab, bis wir mehr über Programm und Personal wissen, und machen uns dann ein Bild – und, noch wichtiger, eine fundierte Meinung.
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Großer Vorteil dieser Vorgehensweise: Wir können uns derweil mit interessanteren Fragen beschäftigen. Zum Beispiel damit, ob es in Österreich eine Messenger-Überwachung geben soll – und wenn ja, wie die umgesetzt werden könnte. Nach den traurigen Anlässen bzw. Anschlägen der vergangenen Wochen ist die Frage wieder aufgetaucht – die Sicherheitsbehörden drängen jedenfalls darauf, künftig bei Verdacht auch WhatsApp und Co. mitlesen zu können.
Ungleiche Waffen
Die Lage ist folgende: Während der Gesetzgeber schon vor Jahrzehnten die Möglichkeit für die Behörden geschaffen hat, Briefe Verdächtiger auf dem Weg öffnen zu dürfen oder ihre Telefongespräche abzuhören, gestaltet sich das bei End-to-End-verschlüsselten Nachrichten, wie sie bei WhatsApp, Signal usw. inzwischen Standard sind, praktisch unmöglich. Wer keinen Zugriff auf das Sender- oder Empfängergerät hat – ob physisch oder remote –, kann die entsprechenden Nachrichten nicht lesen.
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Grundsätzlich ist das eine gute Sache, weil es den durchschnittlichen Smartphone-User einerseits ein Stück weit vor übereifrigen Behörden, andererseits aber auch vor kommerziellen Datensammlern schützt, aber es schafft natürlich auch Probleme: Wenn sich beispielsweise ein paar Terroristen via Signal-Chat zu einer Tat verabreden, können sich Behörden viel schwerer Zugang verschaffen als früher, als sie einfach die Telefonleitung anzapfen konnten.
Jetzt kann man natürlich sagen, die Behörden sollten doch zunächst einmal mit jenen Daten umgehen lernen, die sie schon problemlos haben könnten – etwa mit den öffentlichen Informationen, die manche Möchtegern-Terroristen auf ihren Social-Media-Profilen veröffentlichen. Stimmt schon, das gehört gemacht – nur bleibt dennoch ein Mangel bei der Waffengleichheit, wenn Verbrecher einfacher, schneller, effizienter kommunizieren als es die Staatsanwaltschaften verfolgen können.
Hinter die Mauern von Troja
Unstrittig ist, dass die Behörden unter strengen rechtlichen Auflagen die Möglichkeit haben sollten, den Messenger-Kontakt von Verdächtigen zu überwachen. Allerdings müsste zumindest ein Richter zwischengeschaltet sein und alle Betroffenen nach Ende der Maßnahme informiert werden. Kompliziert wird es durch das technische Problem: Um einen solchen Zugriff zu ermöglichen, ohne dass die Behörden das Gerät direkt manipulieren können, müssten die Hersteller der Messenger eine „Hintertür“ einbauen, durch die die Polizei sich dann quasi in die App „einschleichen“ kann. Eine solche Hintertür könnte dann auch von kundigen Dritten – Hackern, staatlichen wie nichtstaatlichen – ausgenutzt werden.
Und das ist die politische Frage, die im Kern dieser Diskussion steckt: Ist uns die Herstellung von Waffengleichheit zwischen Behörden und Verdächtigen – also ein Stück mehr Sicherheit – es wert, weite Teile unserer privaten Kommunikation einem höheren Risiko auszusetzen, von Dritten geknackt zu werden?
Die Frage ist alles andere als einfach zu beantworten. Ich persönlich tendiere dazu, den Behörden die Möglichkeit einzuräumen und daher eine solche Hintertür zu schaffen, weil ich glaube, dass alles andere Verbrechern einen zu großen Freiraum schafft. Die klassische liberale Position wäre wohl eher zu sagen, nein, Finger weg, der Freiraum soll den Bürgern bleiben.
Nur eine von vielen Fragen, bei denen ich gespannt bin, ob sie die nächste Regierung löst. Und wenn ja, wie.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
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