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| Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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| Es bewegt sich was in unserer Republik: Am Samstag hat Salzburgs Landeshauptfrau Karoline Edtstadler (ÖVP) zum ersten Mal seitens einer Landeschefin Bereitschaft gezeigt, die Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gröber zu verändern. Alle Gesundheitsagenden sollen künftig vom Bund übernommen werden, während Bildung komplett zu den Ländern wandern könnte, so Edtstadler im Ö1-Journal zu Gast.
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| Aktuell verhandeln die drei, bzw. vier Ebenen der Republik – wenn wir die Sozialversicherungen noch dazurechnen wollen – ja gleich entlang drei Schienen. Die eher klandestin vor sich hin werkelnde „Reformpartnerschaft“ befasst sich dem Vernehmen nach vor allem genau mit solchen Fragen, wie sie Edtstadler anspricht: mit der in ihren Grundzügen mehr als 100 Jahre alten Kompetenzverteilung, welche Staatsebene Gesetze für welches Thema erlässt und wer sie umsetzen soll.
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Zweitens laufen auf „technischer Ebene“ mittelfristig die Gespräche über den nächsten Finanzausgleich – Fünfjahrespläne, wer welche Steuern einhebt und wie sie zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt werden.
Und drittens ist da noch der „Stabilitätspakt“: Nachdem der (Bundes-)Finanzminister Brüssel gegenüber das gesamtstaatliche Defizit verantwortet, braucht es Regeln, wie viele Schulden der Bund, die Gemeinden, die Länder und die Sozialversicherungen gemeinsam machen dürfen – und was passiert, wenn einer davon sein Limit überzieht.
Jetzt wäre es grundsätzlich sinnvoll, wenn alle drei Vereinbarungen zusammen verhandelt würden. Logisch: Solange nicht klar ist, wer welche Aufgaben hat, lässt sich schwer sagen, wie viel Geld er dafür braucht, und so weiter. Das passiert aber nicht, weil alle diese Verhandlungen unterschiedliche Stichtage haben: Den Stabilitätspakt müssen wir schon bald der EU gegenüber erklären, den Finanzausgleich brauchen wir bis 2027 – da läuft der alte aus – und für Ergebnisse der „Reformpartnerschaft“ hat sich die Koalition bis Ende 2026 gegeben.
Jetzt weiß ich schon, für Normalsterbliche ist das alles so reizvoll wie Fußpilz; aber erstens sind wir hier im Leitfaden ja eh unter uns Polit-Nerds. Und zweitens hat das alles Potenzial, zur nachhaltigsten Reform dieser Legislaturperiode zu werden.
Manch Radikaler würde die Bundesländer ja gern komplett abschaffen – aber erstens würde ich argumentieren, dass es in polarisierten und tendenziell autoritäreren Zeiten kein Fehler ist, mächtige innerstaatliche Gegengewichte zur Bundesregierung zu haben. Und, zweitens: ich sehe kein realistisches Szenario, wie eine – verfassungsrechtlich nötige – Volksabstimmung jemals für eine Abschaffung der Länder ausgehen würde.
Anders gesagt, angelehnt an Adenauer: Wir müssen mit den Ländern arbeiten, die da sind – andere gibt’s nicht.
Und genau deswegen finde ich Edtstadlers Ansage so wichtig: Auch wenn andere LHs sofort widersprochen haben (Markus Wallner aus Vorarlberg würde sich z. B. ungern von der Gesundheit trennen), ist das ein erster Silberstreif am Horizont, dass da am Ende eine echte Entflechtung zwischen den Gebietskörperschaften stattfinden könnte.
Denn natürlich würde heute kein Mensch mehr die Kompetenzverteilung so bauen, wie es die Väter unserer Republik damals 1920 getan haben. Dass die Länder in einem europäischen Strommarkt zusätzlich zum Bund noch einmal eine eigene Gesetzgebung in Sachen Elektrizität haben zum Beispiel (weil sie sich primär aus dem Wasserrecht entwickelt hat), ist genauso ein Anachronismus wie die juristische Reise-nach-Jerusalem, weil weder Bund noch Länder allein für die Grundversorgung für Migranten zuständig sein wollen. Und, sollten Sie auf eine Halloweenparty unter Verfassungsfreunden eingeladen sein, empfehle ich als eine Art 14 ff. Bundes-Verfassungsgesetz zu gehen, wo die Zuständigkeiten für Bildung verteilt werden.
All das kann und sollte man bereinigen – nicht, indem man die eine oder andere Ebene komplett abräumt, sondern durch klare Verantwortung: Der Bürger sollte wissen, dass er mit seiner Stimme bei der Landtagswahl auch darüber mitentscheidet, wie die Schule seiner Kinder ausgestattet ist – oder wer darüber entscheidet, wie viele Spitäler es wo braucht.
Das muss nicht entlang Edtstadlers Vorschlägen entschieden werden und kann auch ganz anders ausgehen. Aber dass solche Fragen überhaupt diskutiert werden – und nicht nur hinter den verschlossenen Türen der „Reformpartner“ – ist schon einmal super.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
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