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Und Sie haben wahrscheinlich auch eine Meinung dazu, ob es eine gute Idee ist, so zu tun, als würde man besagte Erhöhung halbieren, wenn man sie eigentlich nur ein halbes Jahr nach hinten verschiebt. Noch dazu, während man selbst mehrfach Gehälter in Kammer, Partei und Nationalbank bezieht, die zusammen weit über der Höchstgrenze für öffentlich Bedienstete liegen.
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Das ist gut so. Denn so können wir den Politiker Harald Mahrer – als Kammerpräsident bleibt er, als Nationalbank-Präsident geht er – ebenso beiseitelassen wie die Frage, was dieser Tage eine angemessene Gehaltserhöhung für krisenfeste Jobs darstellt. Beides ist nämlich nur Auswuchs des Elefanten im Raum: Des österreichischen Kammerwesens. 

Es gäbe da nämlich eine ganze Reihe an Fragen, die man anlässlich Mahrer diskutieren kann. Recht eindeutig fällt jene nach den Mehrfachbezügen aus: Dass die aus zwangsmäßig eingehobenen Mitteln finanzierten Kammern da ebenso darunter fallen sollten wie andere staatliche Institutionen, scheint mir evident. Man müsste als Nationalrat nicht auf die für Anfang kommenden Jahres angesetzte Rechnungshofprüfung warten, um das Bezügebegrenzungsgesetz um die Kammern zu erweitern; die Gefahr, dass sich dann niemand mehr für den Job findet, dürfte überschaubar sein.

Aber auch das ist nur ein Nebenschauplatz. Wirklich ans Eingemachte geht es bei der Frage, wie man effektiv verhindert, dass die Kammern der riesige Selbstbedienungsladen werden, als der sie dieser Tage manchmal dastehen.

Hardcore-Liberale haben darauf eine einfache Antwort: Weg mit der Zwangsmitgliedschaft und schauen, was überbleibt. Solch ideologische Klarheit mag eine herzerwärmende Politdiskussion für die kalte Jahreszeit sein, am Ende ist sie aber wenig konstruktiv. Erstens zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte – zum Beispiel auch bei der aktuellen Lohnrunde –, dass Österreich mit dem in der Sozialpartnerschaft institutionalisierten Ausgleich im Großen und Ganzen gut gefahren ist – ob das ohne die üppige Ausstattung der Standesvertretungen ebenso gelaufen wäre, müsste man argumentativ belegen, bevor man solche tragenden Säulen umstößt. 

Zweitens brächte eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft einen Rattenschwanz von Folgen mit sich, die man erst einmal alle durchdenken muss. Wer soll und wer darf Kollektivverträge verhandeln, wenn auf einmal die Arbeitgeberseite nicht mehr das Mandat aller Unternehmen einer Branche hat? Wie organisieren wir Sozialversicherungen, Normungsgremien, Kartellgerichte und andere Institutionen, die derzeit von den Kammern beschickt werden? Wer vereinbart, welche Behandlungen in den Leistungskatalog kommen, wenn auf einmal nicht mehr alle Ärzte in einer Kammer gebunden sind?

Und drittens: Wer so tief in die österreichische Realverfassung eingreifen will, muss sich auf jahrelange politische Auseinandersetzung einstellen – Streiks unterschiedlicher Kammerberufe inklusive. Fragen Sie Herbert Kickl, was passiert ist, als er der ÖVP selbiges vorgeschlagen hat. 

Gewiss, das muss einen nicht abhalten, wenn man die Zwangsmitgliedschaft für fundamental falsch hält – aber dafür, welcher Aufwand für eine solche Änderung nötig wäre, ist der erwartbare Nutzen für die Republik relativ gering. Die Energie, die dafür nötig wäre, ist anderswo (hallo, Reformpartnerschaft) wohl effizienter eingesetzt.

Was nicht heißt, dass man das Mahrer-Momentum nicht nutzen könnte. Wenn man schon Institutionen hat, die von ihren Zwangsmitgliedern selbstverwaltet werden, dann sollte man sie ihnen auch endlich wirklich in die Hand geben. Vor ein paar Monaten habe ich an dieser Stelle über das byzantinische Wahlrecht der Kammer(n) geschrieben, das es praktisch unmöglich macht, einen Kammerpräsidenten seiner Fehler wegen bei der nächsten Wahl abzustrafen; es ist, als ob der Bundeskanzler auf Basis unserer Stimmabgabe bei der letzten Gemeinderatswahl bestimmt würde. 

Dieses Wahlrecht – das in allen Standesvertretungen ähnlich intransparent ist –, bei dem die Verantwortung dem Wähler gegenüber durch so viele Zwischenschritte verwässert wird, ist genau ein System, in dem ungustiöse Gehaltssprünge, private Fürstentümer und andere Schlampereien mit dem Geld der Mitglieder gut gedeihen können.

Wer aus dem Fall Mahrer seine Lehren ziehen will, sollte das Kammerwahlrecht angehen. Die effektivsten Mittel gegen Machtrausch und Verschwendung sind Transparenz und die Angst, abgewählt werden zu können. Bei beidem haben die Kammern Nachholbedarf. Der Gesetzgeber könnte ihnen hier auf die Sprünge helfen – ohne sie gleich abzuschaffen.

Herzlich,
Ihr Georg Renner

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