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| Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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| Ich mag es nicht, zweimal zum gleichen Thema zu schreiben – aber in diesem Fall bin ich es zumindest Ihnen schuldig. Vergangene Woche ist der Leitfaden in der Erwartung eines längeren Prozesses gegen August Wöginger und weitere Angeklagte in Sachen Postenschacher am Finanzamt Braunau erschienen – knapp nachdem der Prozess bereits diversionell erledigt worden war.
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Daher heute einige kurze Nachträge:
Erstens verstehe ich die Staatsanwaltschaft nicht – warum sie in einem so offensichtlich für die Generalprävention wichtigen Verfahren einer Diversion zustimmt. Die Diversion ist ein wunderbares Instrument zur Entlastung der Gerichte und zur Erledigung von Kleinkriminalität; aber der Verdacht des Amtsmissbrauchs bei Führungsfunktionen in der Verwaltung, noch dazu unter Einfluss der höchsten Kreise der Republik, verdient einen ordentlichen Prozess samt Schuldspruch oder Freispruch.
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Zweitens verstehe ich die anderen Parteien nicht – warum zum Beispiel Klubobleute, die sonst blitzschnell zu allem Möglichen ihre Meinung kundtun, von Fußballspielen bis zu lächerlichen Trans-Aufregern aus dem Boulevard, den Mund nicht aufkriegen, wenn ihr schwarzes Gegenüber Verantwortung für Korruption in der öffentlichen Verwaltung übernimmt.
Was ich aber – drittens – leider recht gut verstehe, ist die Reaktion der ÖVP, sinngemäß: Sag ma‘, es war nix. Ich halte das für dumm und ungeschickt. Vor zwanzig, vielleicht sogar vor zehn Jahren wäre das in der politischen Kultur des Landes noch halbwegs gegangen. Aber ich bin mir sehr sicher, dass Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2025, noch dazu in einer gröberen Wirtschaftskrise, sich nicht mehr einfach damit abspeisen lassen, dass Parteigünstlinge echten Leistungsträgerinnen vorgezogen werden und sich die Partei dann hinsetzt und sagt, „Bürgerservice halt, ich hab auch heut erst einen Brief für jemanden geschrieben“.
Ich kann mich täuschen, aber gerade jüngere Österreicher, die in einer Hochleistungskultur aufgewachsen sind, werden sich mit causa finita nicht mehr abspeisen lassen. Das nächste Mal, wenn diese Partei den Wählern mit Sprüchen wie „wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein“ oder „Leistung muss sich auszahlen“ kommt, wird man sich daran erinnern, dass sogar der Kanzler diese Sache ex cathedra für „erledigt“ erklärt hat.
Das ist eine vergebene Chance für die Volkspartei. Hätte sie Wögingers „Verantwortungsübernahme“ ernst genommen und als mehr als nur die juristische Voraussetzung für eine Diversion geframt, hätte sie sogar mit neuem Schwung aus der Sache herauskommen können.
Wenn der Bundeskanzler sich zum Beispiel daran erinnert hätte, dass er (bzw. sein Staatssekretär) für den gesamten öffentlichen Dienst im Land zuständig ist, hätte er die zugunsten des Parteifreunds übergangene Beamtin einladen und coram publico bei ihr um Entschuldigung bitten können – etwa mit den Worten: „Wir haben unsere Lektion gelernt“. Er hätte Vorschläge machen können, wie man Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst besser gegen solche Einflussnahmen absichern könnte, er hätte vielleicht sogar die stichprobenartige Prüfung von Postenvergaben der vergangenen Jahre anordnen können.
Nichts davon ist passiert, und das ist schade. Andererseits ist es eben auch entlarvend – wir wissen, woran wir sind, wenn man diesen Fall von „Postenschacher aus dem Bilderbuch“ gerade mal im Rahmen des Strafrechts verwerflich findet – aber politisch kein Problem damit hat. Ist ok – aber wenn es die Partei nicht tut, wird sich der Wähler politisch eine Meinung bilden.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
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