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  Georg Renner
Liebe Leserinnen, liebe Leser!


Erst vor ein paar Tagen hat China ein großangelegtes Militärmanöver rund um Taiwan abgeschlossen, bei dem es ziemlich unverhohlen darum gegangen ist, wie man die aus Sicht Chinas abtrünnige Inselrepublik militärisch blockieren und einnehmen könnte. Dieses Wochenende hat der chinesische Verteidigungsminister dann öffentlich bekundet, wer es wage, Taiwan von China abzutrennen, werde „zerschmettert und seinen eigenen Untergang herbeiführen“.

Militär- und Asienexperten gehen davon aus, dass wir noch in diesem Jahrzehnt den Versuch Chinas erleben könnten, das von den USA unterstützte Taiwan militärisch einzunehmen. Wenn Sie Details interessierten: Die FT hat vor Kurzem ein sehr lesenswertes Dossier über die fünf Ebenen vorgelegt, auf denen sich ein solcher Krieg entscheiden könnte.

Strategische Abhängigkeiten
Auch wenn das sehr weit weg scheint: Der Taiwan-Konflikt hat Tangenten zur europäischen und österreichischen Politik. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht, den die DSN vor zwei Wochen vorgelegt hat, heißt es: „Verschärfungen im Konflikt zwischen China und Taiwan würden unter anderem Auswirkungen auf den Welthandel im Bereich der Halbleitertechnologie nach sich ziehen. Die heimischen Sektoren der kritischen Infrastruktur sind allesamt von dieser Technologie abhängig. Auswirkungen im globalen Handel würden somit jedes einzelne Unternehmen in unterschiedlichem Ausmaß treffen“. Auch im heurigen Risikobild des Bundesheeres warnt Komplexitätsforscher Peter Klimek vor „strategischen Abhängigkeiten“ Österreichs und Europas, die Peking gezielt durch staatliche Subventionen und andere Markteingriffe herstelle.
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An diese Warnungen habe ich denken müssen, als die ÖVP am Montag zu einem „Verbrenner-Gipfel“ geladen hat, der sich gezielt gegen ein Herzstück des „Green Deal“ der EU richtet: die Vorschrift, dass in der Union verkaufte Neuwagen ab 2035 CO2-neutral betrieben werden müssen. Den „Green Deal“ (der insgesamt weit mehr Facetten hat) beschreibt Klimek im Heeres-Bericht als guten Anlass, bestehende Abhängigkeiten zu sichten und zu reduzieren, wie er in einem Beispiel erörtert: Als eine chinesische Lokalregierung 2021 anordnete, die Magnesiumproduktion – Magnesium ist ein essenzieller Bestandteil der Stahlverarbeitung - zurückzufahren, löste das beinahe einen Kollaps der europäischen Autoindustrie aus. 

Eine EU, die weite Teile ihrer Industrie in Richtung Klimaneutralität umbaut, hätte dabei auch die Chance, verstärkt wieder Ressourcen in Europa zu nutzen – oder zumindest solche, die aus einer weiten Auswahl von Staaten kommen, nicht nur aus ein oder zwei übermächtigen Handelspartnern. Das braucht aber politischen Willen dazu: Solange China seine Produkte staatlich fördert, wird der Markt stets dem billigeren Produkt folgen – und uns in eine weitere strategische Abhängigkeit manövrieren, wie schon beim russischen Gas.

Sprich: Wenn sich die hiesige Politik darauf beschränkt, nur den Status Quo zu verteidigen, wandeln wir sehenden Auges in die nächste Lieferkettenkrise, sollte China Taiwan tatsächlich angreifen. Vor Covid und dem russischen Angriff auf die Ukraine hat man derartige Warnungen über unzureichende Vorbereitungen ignoriert – mit verheerenden Folgen für Wirtschaft und Wohlstand im Land. 

Hausaufgaben machen
Manches ist schon geschehen: Der EU-„Chips-Act“ zum Beispiel setzt chinesischen und US-Subventionen für ihre heimischen Halbleiterbranchen europäische Förderungen entgegen. Über die Frage nach Zöllen zum Schutz der europäischen Autobauer war hier schon vor zwei Wochen die Rede. Aber gerade Österreich hat noch viele Hausaufgaben zu machen – beginnend bei der Sicherheitsstrategie, die aus dem Jahr 2013 und damit aus einer anderen Welt stammt. Eine Überarbeitung hängt noch immer zwischen ÖVP und Grünen fest – unter anderem wegen der Rolle, die die wirtschaftliche Abhängigkeit von anderen Staaten darin künftig spielen soll. 

Wie sich unser Staat sicherheits- und geopolitisch orientieren soll, ist eine elementare Frage; sollten sich die Koalitionsparteien darauf nicht mehr einigen können, gehört die Diskussion in die Öffentlichkeit – und zu einem zentralen Thema der Wahlauseinandersetzung gemacht. 

Denn die nächste Krise wird kommen. Es wäre sinnvoll, sich darauf vorzubereiten.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
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