‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌  ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ ‌ 
                                                           
DATUM Leitfaden
NEWSLETTER
  Georg Renner
Liebe Leserinnen, liebe Leser!


Zu Sommerbeginn habe ich hier eine kleine Serie gestartet, in der ich anlässlich des Endes der Legislaturperiode die Performance unserer aktuellen Parlamentsparteien Revue passieren habe lassen, im Guten wie im Schlechten. Die Texte zur ÖVP, den Grünen und der SPÖ haben Sie schon erhalten – folgerichtig möchte mich heute den Freiheitlichen widmen. 

Das ist naturgemäß eine Gratwanderung: Als populistische Protestpartei, zu der sich die FPÖ spätestens unter Jörg Haider entwickelt hat, nimmt sie eine Sonderrolle in der österreichischen Parteienlandschaft ein. Einerseits – dazu gleich mehr – exemplifiziert sie die Opposition, andererseits pflegt sie über weite Strecken einen politischen Stil, der an Diskursverweigerung oder sogar -zerstörung grenzt. 

Keine Partei wie alle anderen
Wenn eine Partei beispielsweise regelmäßig Medien und Journalisten persönlich diskreditiert, sich Interviewanfragen weitgehend entzieht, Anfragen zu ihren Inhalten unbeantwortet lässt – und all das tun Freiheitliche weit öfter als die anderen Parteien – tut man der Republik nichts Gutes, wenn man als Journalist so tut, als wäre das eine Partei wie jede andere. 
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde, können Sie ihn hier kostenlos abonnieren. Er erscheint jeden Dienstag Nachmittag.
Man muss das so klar sagen: Die Freiheitlichen unter Herbert Kickl sind im Bund weiter davon entfernt, im politischen Diskurs eine konstruktive Kraft zu sein als in den vergangenen Jahrzehnten. 

Ironischerweise streuen ihre Koalitionspartner in den Ländern – also die ÖVP in Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich – der FPÖ gleichzeitig Rosen: Trotz merkbarer Personalmängel in den politischen Büros am Anfang der jeweiligen Amtsperioden beschreiben sie die Zusammenarbeit als kühl, aber professionell. Was durchaus eine Rolle spielen könnte: Mehr Freiheitliche als je zuvor sammeln in den Ländern gerade Regierungserfahrung; sollte die Partei in den nächsten Jahren in die Lage kommen, wieder Ministerien zu besetzen, könnte sie auf einen größeren und erfahreneren Personalpool zurückgreifen, als das noch 2017 der Fall war.

Professionelle Neinsager
Aber bleiben wir im Bund – auch die FPÖ, die sich nach dem Zerfall der türkis-blauen Koalition 2019 erst einmal selbst (und neue Chefs) finden hat müssen, hat durchaus ihre guten Seiten. Denn gerade in Krisenjahren wie den vergangenen hat es einen hohen demokratischen Wert, wenn es eine Partei gibt, die eine grundsätzlich ganz andere Linie vertritt als die Regierung. 

Ich will jetzt nicht manchen Unsinn schönreden, der besonders in der Corona-Zeit von freiheitlichen Politikern gekommen ist – Stichwort Ivermectin –, aber dass die Partei nach einer kurzen „Lockdown jetzt“-Phase schnell auf generelle Maßnahmenkritik umgeschwenkt ist, hat auf einem demokratischen „Marktplatz der Meinungen“ durchaus einen Wert: Es zwingt die Regierung schon allein durch die Existenz der Gegenstimmen, ihre Position öffentlich zu begründen. 

Dass die FPÖ diese Opposition in den großen Fragen der vergangenen Jahre konsequent durchgezogen hat – von Migration über Russland-Sanktionen bis zu verschiedenen Hilfsprogrammen – finde ich im Detail an den meisten Stellen falsch; aber es ist zumindest gut, wenn es auch jemanden gibt, der im Parlament eine „Nein“-Position argumentiert.

Wo sind die Alternativen?
Langfristig ist es aber zu wenig, nur Nein zu sagen – besonders dann, wenn man als Partei das Land auch aus der Regierung mitgestalten möchte. Und auf diesem Feld hat die FPÖ eklatante Schwächen: Wer eine „Festung Österreich“ errichten und Migration massiv reduzieren möchte, sollte etwa auch einen Plan vorlegen können, wie er mit einer schrumpfenden Gesellschaft umgehen will – ob er staatliche Leistungen reduzieren, Steuern erhöhen oder Arbeitskräfte von anderswo importieren will. Nur zu sagen, „ich will diese Menschen nicht hier“, ist kein Rezept für eine nachhaltige Politik. 

Zweitens sollte die FPÖ dringend ihre Beziehung zu Russland aufarbeiten: Für ein nicht nur militärisch, sondern auch politisch neutrales Österreich und gegen Sanktionen zu sein ist das eine – aber aktiv einen Freundschaftspakt mit der Partei eines aggressiven Autokraten gehabt zu haben, eine Kreml-Jubelperserin zur Außenministerin gemacht zu haben: Das sollte einer Partei zu denken geben – und würde öffentlich reflektiert und dokumentiert gehören. 

Und drittens ist da noch der eingangs erwähnte Stil: Als Parteichef sämtliche anderen politischen Kräfte als „Systemlinge“ abzustempeln, andere Politiker und Institutionen vom Bundespräsidenten abwärts als „senil“ und Schlimmeres abzuqualifizieren, aber gleichzeitig höchste Ämter im Staat besetzen zu wollen: Das geht sich nicht aus. Die FPÖ sollte, Opposition hin oder her, wieder zu einer zivilisierteren Ausdrucksweise zurückfinden.

Herzlich,
Ihr Georg Renner
DATUM Logo

© Satzbau Verlags GmbH
AboImpressum & DisclaimerDatenschutz