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Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, haben Sie recht: auch die türkis-grüne Koalition hatte schon ein ElWG intern akkordiert und in Gestalt von Leonore Gewessler Anfang 2024 in Begutachtung geschickt. Daraus wurde allerdings nichts: Die notwendige Zweidrittelmehrheit kam nicht zustande und die damalige Koalition gab kein grünes Licht. (Nebenbei: Dass es eine Zweidrittelmehrheit braucht, ist Folge der uralten Kompetenzverteilung in der Bundesverfassung, die die Zuständigkeit für das Elektrizitätswesen eigentlich bei den Ländern verortet. Weil das aber in der Realität wenig sinnvoll ist, braucht man für vernünftige Regeln jedes Mal eine Zweidrittelmehrheit, um diese Rollenverteilung zu overrulen. Könnte man evtl. auch einmal beheben.)
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Es wäre zu hoffen, dass das der neuen Koalition besser gelingt. Denn unsere Strom-Infrastruktur braucht sehr, sehr dringend einen neuen Rahmen. 2010 wurde das jetzige Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, kurz ElWOG, beschlossen und seither hat sich einiges geändert. Nicht nur, dass die Photovoltaik seither einen beispiellosen Siegeszug angetreten hat, E-Autos mittlerweile ein Fünftel der neuen PKW stellen und die Digitalisierung bisher ungeahnte Flexibilisierungsmöglichkeiten eröffnet. Nein, es geht auch darum, dass wir heute ganz klar wissen, wie unsere Energie in Zukunft ausschauen wird: Große Teile unseres gesellschaftlichen Energiebedarfs werden wir mit Strom decken. Das ist nicht nur notwendig, um unsere Klimaziele zu erreichen und so unseren Beitrag gegen die weitere Erderwärmung zu leisten – sondern auch, um uns in einer geopolitisch volatilen Zeit weniger abhängig von Öl- und Gaslieferanten zu machen. 

Strom wird langfristig vor allem aus Wasser-, Wind- und Sonnenkraftwerken kommen – und weil wir in Österreich ja eine völlig irrationale Ablehnung von Atomkraft in unsere Verfassung geschrieben haben, werden wir noch eine Anzahl schnell aktivierbarer Gaskraftwerke vorhalten müssen, um Zeiten zu überbrücken, in denen die Erneuerbaren-Kraftwerke zu wenig liefern. Die gute Nachricht: Das ist durchaus machbar. Aber es erfordert erstens ein Umdenken, wie unser Stromnetz funktioniert – mit einer Vielzahl an Anschlüssen, die manchmal Strom produzieren, manchmal konsumieren – und zweitens Investitionen, um das funktionsfähig zu halten. Zum Beispiel Investitionen in große Batterien, die derzeit unattraktiv sind, aber mittelfristig unverzichtbar sein werden. Das ElWG soll jetzt die Grundlage für dieses Netz der Zukunft liefern – und der Strommarkt-Regulierungsbehörde die Möglichkeit in die Hand geben, die Kosten dafür zu verteilen. 

Es ist ein komplexes Regelwerk, und für viele der Fragen sollten wir die Begutachtung abwarten – besonders die Stellungnahmen der diversen Lobbyorganisationen von Energieproduzenten und -konsumenten werden spannend. Schon jetzt kann man aber den bisher umstrittensten Punkt des Vorschlags diskutieren: Dass PV-Besitzer künftig ebenfalls per Stromnetz-Abgabe zur Kasse gebeten werden sollen, wenn sie Strom ins Netz einspeisen – statt wie bisher nur für den konsumierten Strom. Volle Offenlegung: Das betrifft auch mich – seit vergangenem Jahr bin ich Besitzer einer 14,4 kWp-Anlage (gedeckelt auf 4 kW Einspeisung und mit 10 kWh Speicher) und schwer begeistert davon. Und trotzdem halte ich es für sinnvoll, auch für die Einspeisung etwas zahlen zu müssen. Das hat weniger mit dem Anreiz zu tun, selber möglichst viel eigenproduzierten Strom zu verbrauchen – das regelt ohnehin der Markt, weil die zugekaufte Energie immer teurer sein wird und man sich so natürlich Geld spart. Aber langfristig entsteht da ein beträchtliches Ungleichgewicht. Sprechen wir einmal nur von Privathaushalten: Während wir Hauseigentümer und Landbewohner locker PV-Anlagen installieren und damit unsere Strom- und Netzkosten beträchtlich senken können – in meinem Fall wäre das Ziel Null -, bleibt diese Möglichkeit mehr als der Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher verwehrt. Wer in Miete oder Eigentumswohnung lebt, hat diese Option nicht oder nur sehr kompliziert. 

Wenn das System bleibt, wie es ist, würde diese Hälfte demnächst das Stromnetz allein finanzieren. Und das kann man kritisch sehen. Denn ein Stromnetz ist per Definition nach eine gemeinschaftliche Infrastruktur, die wir PV-Betreiber im Winter oder bei lang anhaltendem Nebel genauso brauchen wie alle anderen. Dass wir dazu unseren Beitrag leisten, ist durchaus vertretbar – wenn das ein maßvoller Anteil ist und nicht die gesamte Amortisierungsrechnung zusammenhaut. (Das Gesetz selbst enthält dazu keinen konkreten Satz, sondern nur die Ermächtigung für die E-Control, solche Netzentgelte vorzuschreiben.) 

Die Grünen, die es für die Zweidrittelmehrheit braucht, sollten sich gut überlegen, ob sie das dringend nötige Gesetz allein deswegen ausbremsen wollen. Dass sie – wie auch die Freiheitlichen – angekündigt haben, es genau prüfen zu wollen, statt sich gleich auf Fundamentalablehnung einzugraben, ist ein gutes Signal.

Herzlich,
Ihr Georg Renner

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