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Liebe Leserinnen und Leser!
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Ich weiß, ich weiß, diese Welt. Aber zu der US-Wahl habe ich an dieser Stelle schon alles für uns Relevante geschrieben. Für uns Europäer ist Trump die ungünstigere Wahl, aber wir müssen so oder so selbst auf unseren Kontinent schauen. Und was unsere deutschen Freunde betrifft, halte ich es mit dem Grundsatz, dass es ein bisschen billig ist, anderen Demokratien per Kommentar auszurichten, was sie tun und lassen sollten, solange wir eigene politische Baustellen haben. Und an denen, wenigstens, haben wir gerade wirklich keinen Mangel.
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Also, reden wir über Karoline Edtstadler.
Die Juristin und scheidende Kanzleramtsministerin, die mein Kollege Wolfgang Rössler in einem großen DATUM-Porträt einst als „Die Kantige“ tituliert hat (hier nachzulesen und hier nachzuhören) hat ja angekündigt, der nächsten Regierung nicht mehr angehören zu wollen und „nur“ noch ihr Nationalratsmandat auszuüben – einerseits, weil sie sich als Anwältin selbstständig machen will, andererseits aber wohl auch, weil ihr die Kooperationsbasis mit Parteichef und Bundeskanzler Karl Nehammer zunehmend weggebrochen ist.
Jetzt ist das Ausscheiden eines Regierungsmitglieds von einer Koalition zur nächsten kein Grund zur Aufregung – Republik lebt vom ständigen Wechsel des Spitzenpersonals, und jeder Minister sollte ständig vor Augen haben, dass er nur auf Zeit dem Land dient. Außerdem soll dem Land nichts Schlimmeres passieren, als dass eine hochqualifizierte Persönlichkeit sich ins Unternehmertum stürzt. Und parteiinterne Macht- und Personalfragen sollte man sowieso den Parteien und handelnden Personen selber überlassen; Politik wird, ob man das mag oder nicht, im Wesentlichen von Menschen gemacht, da lassen sich solche Angelegenheiten kaum vermeiden.
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Aber ich finde, dass sich aus dem angekündigten Abgang der 43-jährigen Ministerin doch einiges darüber lernen lässt, welche Leute in einer Regierung Platz haben sollten – eine Frage, die sich demnächst, ja hoffentlich bald, wieder stellen wird.
Was eine effektive Ministerin ausmacht
Es ist nämlich so: Ich halte Edtstadler für eine sehr effektive Ministerin. Sie hat in der gerade zu Ende gegangenen türkis-grünen Legislaturperiode mehrere Gesetzesvorhaben verhandelt und auf den Boden gebracht, die gerade für ihre Seite, die ÖVP, schwer verdaulich waren; zum Beispiel das Informationsfreiheitsgesetz, die Reform der Sterbehilfe oder die „Hass im Netz“-Bestimmungen. Im Detail kann man daran jeweils manches kritisieren, aber denken Sie einmal darüber nach, wie viele Reformen Ihnen aus den vergangenen Regierungen so einfallen, die nicht im Wesentlichen daraus bestanden haben, Steuergeld – noch dazu nicht vorhandenes – zu verteilen.
Jetzt kann und muss man daran einiges relativieren. Erstens hat Edtstadler die Verhandlungen natürlich nicht alleine geführt, da gehört auch ein Gegenüber dazu, mit dem man sich einigen kann. Zweitens hat(te) sie als Kanzleramtsministerin nur einen vergleichsweise kleinen Verwaltungsapparat zu führen und damit mehr Kapazität, um Politik zu machen. Und generell hat sie sich, drittens, nicht immer nur mit Ruhm bekleckert: was etwa ihre Teilnahme an parteitaktischen Manövern der Volkspartei wie der Kampagne gegen ermittelnde Staatsanwälte – Stichwort Zitierverbot – oder den erbärmlichen Brief gegen Leonore Gewesslers Zustimmung zur Renaturierungsverordnung angeht.
Checkliste Ministerkompetenzen
Man muss also nicht bei allem ihrer Meinung sein oder sie gar heiligsprechen – aber man kann anerkennen, dass Edtstadler viele jener Skills mitgebracht hat, die man sich von seinen Ministern so wünscht.
Dazu zählen: Erstens, ein kompetentes Kabinett zusammenzustellen und führen zu können. Zweitens: Kompromiss-, Team- und Handschlagsfähigkeit in sensiblen Materien – und gleichzeitig in der Lage zu sein, die eigene Position zu kennen und klar argumentieren zu können. Drittens entweder Sachkenntnis oder zumindest die Kapazität, sich schnell in die komplexen Fragen des eigenen Ressorts vertiefen zu können. Und viertens die Freude am Argumentieren und Präsentieren vor einer kritischen Öffentlichkeit, sowohl gegenüber klassischen Medien als auch auf Social Media (selbst wenn Edtstadler das zuletzt primär auf der toxischsten Plattform von allen getan hat, auf Linkedin).
Jetzt kann man wieder einmal sagen: low bar, Renner. Aber das ist ein recht spezielles Skillset, das man generell nicht oft findet – und speziell das politische Personal vergangener und vergehender Regierungen zeigt gemessen an diesem Anforderungsprofil eine bestenfalls eher gemischte Bilanz.
Es wäre gut, wenn die nächste Regierung mehr solche Persönlichkeiten enthält.
Herzlich;
Ihr Georg Renner
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