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Bis 2030 ist es nicht mehr lang. Zeit, dass wir ins Tun kommen.
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Liebe Leserin, lieber Leser!
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ohne dir jetzt Stress machen zu wollen: Die Uhr tickt. Wenn wir nicht wollen, dass in diesem Jahrhundert die Zahl und Intensität der Extremwetterereignisse immer weiter zunimmt, die Welt sich um mehr als 1,5 Grad erhitzt, dann müssen wir ins Tun kommen. Der Weg in eine ›enkeltaugliche‹ (in meinem Fall eher ›kindertaugliche‹) Zukunft liegt klar sichtbar vor uns, mit einem Checkpoint im Jahr 2030 und der Ziellinie Klimaneutralität 2040.
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Wenn wir jetzt schlendern, müssen wir später sprinten, um die Strecke rechtzeitig zu schaffen, denn für die übrigen 16 Jahre haben wir nur ein beschränktes Treibhausgas-Budget übrig. Momentan stolpern wir langsam dahin und die Zeit drängt, dass sich das ändert.
Weil manche Maßnahmen, zum Beispiel in der Raumordnung, die u.a. Verkehr, Energie und Versiegelung stark beeinflusst, erst weit in der Zukunft ihre volle Wirkung entfalten, weil sich die Kosten für Anpassung bis 2050 verdoppeln und für entstehende Schäden verdrei- bis versechsfachen, werden auch die vergangenen vier Jahre rückblickend entscheidend gewesen sein. Deshalb werfen wir in diesem Newsletter einen Blick auf das klimapolitische Vermächtnis der Türkis-Grünen Regierung.
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Der Elefant im Raum steht seit zwei Jahren recht still in einer Ecke. Das Klimaschutzgesetz, das festlegt, wann wir wie schnell auf unserem CO2-Reduktionspfad laufen müssen und was wir tun, wenn wir zu viel getrödelt und unser Jahresziel verfehlt haben, gilt seit fast vier Jahren nicht mehr. An einem Knackpunkt sind die Verhandlungen zur neuen Version gescheitert: Dem Sanktionsmechanismus. Bisher gab es keine Kontrolle, ob bei Zielverfehlung auch wirklich zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Die Koalition hatte ihre Absicht, diesen Mechanismus zu ›verbessern‹, sogar im Regierungsprogramm festgeschrieben. Nach langem Streit lautete der Tenor schließlich: ›Das Klimaschutzgesetz selbst spart keine Emissionen, wir konzentrieren uns auf Gesetze, die wirklich CO2 reduzieren.‹
Dass die Österreicher:innen deshalb darauf vertrauen müssen, dass die politisch Verantwortlichen auch klimapolitisch Verantwortung übernehmen, ist eine Zumutung.
Dazu gesellen sich noch weitere türkis-grüne Versäumnisse: Da wären einmal das Erneuerbares-Gas-Gesetz oder die Ökologisierung des Pendlerpauschales. Der Plan, den Gemeinden Klima-relevante Aspekte der Raumordnung – also zB wo ein Windrad, ein Wasserkraftwerk, eine PV-Anlage gebaut werden darf – wegzunehmen und damit eine einheitliche Energieraumplanung und einen beschleunigten Ausbau zu ermöglichen, wurde genauso wenig umgesetzt wie ein verpflichtender Klimacheck für Gesetze.
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Von dem durchaus ambitionierten Regierungsprogramm (dem Kapitel Klimaschutz, Infrastruktur, Umwelt & Landwirtschaft wurden die meisten Seiten gewidmet) sind aber auch einige Punkte in der Realität angekommen. Hervorhebenswert sind vor allem das Klimaticket, die Ökosoziale Steuerreform und das Milliardenpaket zur Dekarbonisierung der Industrie. Das Klimaticket hat wohl den Bahnverkehr im Land mitangekurbelt, die ÖBB hat 2023 einen neuen Fahrgastrekord aufgestellt. Auch die Investitionen in die Radinfrastruktur hat sich deutlich erhöht. Ob uns das dem Ziel, den Radler:innenanteil bis 2030 zu verdoppeln, nähergebracht hat, lässt sich bisher nicht sagen. Grund zur Hoffnung gibt aber diese Klimaaktiv-Studie.
Sichtbar ist hingegen der Effekt des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes und der Förderung von erneuerbaren Energien. Wie an dieser Grafik des Klimadashboards zu sehen, steigt seit deren Einführung der Solarenergie-Ausbau auch annähernd exponentiell. Windräder werden in Österreich aber noch zu wenig gebaut. Vor allem der Biogas-Ausbau ist noch gar nicht auf Schiene, auch weil – wie wir schon wissen – das Erneuerbares-Gas-Gesetz immer noch fehlt.
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Um die Kreislaufwirtschaft zu fördern, wurde der Reparaturbonus eingeführt. Das kaputte Handy reparieren zu lassen, statt sich einfach ein neues zu kaufen, wird vom Bund mit bis zur Hälfte der Kosten gefördert. In der Praxis, vor allem im emissionsintensiven Bausektor, gibt es allerdings immer noch einige Hürden für die Kreislaufwirtschaft (zum Text Die Hausrecycler).
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Was vielen wohl auch stark in Erinnerung bleiben wird, sind die vielen Scharmützel, die sich Türkis-Grün vor allem gegen Ende der Legislaturperiode geliefert hat. Mit der EU-Renaturierungsverordnung möchte ich gar nicht erst anfangen, den Ausführungen von Georg Renner im DATUM-Leitfaden bleibt nichts hinzuzufügen. Selbiges gilt für das Hin und Her mit dem Nationalen Energie- und Klimaschutzplan (NEKP), der Vorgestern doch noch, aber mit großer Verspätung der EU-Kommission geschickt wurde. Darin hat Türkis-Grün das Einsparen von zwei Millionen Tonnen CO2 durch die Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen festgeschrieben. Eine Aufgabe für die kommende Regierung.
In der, nach heutigen Umfragen, wohl auch die ÖVP sitzen wird. Der ›Autogipfel‹ des Bundeskanzlers sowie sein Beharren auf eFuels und dem ›grünen‹ Verbrenner lassen aber auch tief in das klimapolitische Verständnis seiner Partei blicken. Neben der Industrie verursacht der Verkehr die meisten Treibhausgasemissionen in Österreich.
Mit der Bodenstrategie, dringend nötig, um den Flächenfraß (mit dem wir uns im Mai 2023 intensiv beschäftigt haben) bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag beschränken, verhält es sich ähnlich wie mit dem Klimaschutzgesetz. Die Länder lehnen dieses verbindliche Ziel ab und haben deshalb im Alleingang eine Bodenstrategie ›beschlossen‹. Ohne die 2,5 Hektar Vorgabe und ohne die Bundesregierung. Im zuständigen Gremium, wo Bund, Länder, Gemeinden und Städte vertreten sind, gilt allerdings das Einstimmigkeitsprinzip, weshalb es wohl eher ein Nicht-Beschluss war. Nach, vor und während dieser Streitereien wird weiterhin einmal täglich die Fläche von Eisenstadt versiegelt.
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Mit der ökosozialen Steuerreform hat Türkis-Grün erstmals einen CO2-Preis eingeführt, der die wahren Kosten von umweltschädlicher Produktion und Konsum stärker abbilden soll. Auch wenn die 55 Cents pro Tonne (ab 2025) von Expert:innen als viel zu niedrig kritisiert werden, sind sie doch ein erster Schritt. Das schien auch das Motto für das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz zu sein. Damit hat die Koalition im letzten Dezember ein Einbauverbot für Gas-Heizungen in Neubauten beschlossen. Der verpflichtende Austausch von mit Öl betriebenen Heizungen 2035 und mit Gas betriebenen 2040 wurde wieder gestrichen. Der NEKP ist in der Theorie ein großer Schritt, er zeigt mit konkreten Maßnahmen, dass unsere Klimaziele erreichbar sind. Der Haken: Er ist ein Entwurf und kein Gesetz. Der Nationalrat muss ihn erst absegnen.
Was bleibt nun übrig von Türkis-Grün? Dass wir am Reduktionspfad nicht auf einmal in einen Sprint verfallen werden, war klar. Denn – so fair muss man sein – eine Pandemie gab es auch noch zwischendurch. Österreich bleibt eine träge Masse, und doch haben wir ein wenig klimapolitisches Vorwärtsmomentum aus den letzten vier Jahren mitgenommen. Damit das nicht umsonst war, gilt es auch nach der Nationalratswahl sicherzustellen, dass diese ersten Schritte nicht letzte Schritte gewesen sind.
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Ab dieser Ausgabe von DATUM-Breitengrade ändert sich hier ein bisschen etwas. Das Breitengrade-Quiz wird beispielsweise zum Cover-Quiz, das wir schon vor dem Start unserer Jubiläumsausgabe über den Sommer veranstaltet haben. Auf unseren Social-Media-Kanälen posten wir ein DATUM-Cover aus den letzten 20 Jahren und ihr müsst erraten, wann (Jahr und Monat) es erschienen ist! Zu gewinnen gibt es, wie gewohnt, ein dreimonatiges DATUM-Abo! Ich werde euch hier hin und wieder einen Tipp für das Quiz geben.
Vielen Dank für deine Unterstützung!
Zum Schluss nochmal ein großes Danke an dich, dass du DATUM Breitengrade abonnierst, liest und vielleicht sogar weiterempfiehlst. Ich hoffe, dass du dem Newsletter auch künftig als Leser:in erhalten bleibst.
Wenn du diesem Newsletter-Projekt ein wenig helfen möchtest, kannst du das in nur zehn Sekunden tun. Diese Empfehlungs-Mail kannst du direkt an deine Freund:innen abschicken.
Danke! Unser nächster Newsletter erscheint am 19. September.
Herzliche Grüße
Paul Koren
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