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| Liebe Leserinnen, liebe Leser!
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| Wir müssen über Medien und Medienpolitik reden. Erstens passiert auf dem Gebiet gerade viel und zweitens ist das leider auch dringend notwendig. Viele der privaten österreichischen Medien stehen wirtschaftlich am Abgrund, und, so unangenehm das ist: Ohne staatliche Intervention werden sie sehr bald einen Schritt weiter sein.
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| Das heißt, was die Politik in diesem Bereich tut oder nicht tut, betrifft am Ende mich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen in unserer wirtschaftlichen Existenz. Das ist unangenehm und konsequenterweise haben wir bei diesem Thema massives Eigeninteresse – bitte das im Hinterkopf zu behalten, wenn Sie das hier lesen.
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Ende vergangener Woche haben 66 „Stakeholder“ bei einer Klausur sehr intensiv über Medienpolitik diskutiert – Journalisten, Medienmanagerinnen, Verleger, Juristen, Aktivistinnen und ja, auch Politiker aus vier Parteien waren dabei, ich auch. Eingeladen hatten die DATUM-Stiftung für Journalismus und Demokratie sowie der Verein „Ein Versprechen für die Republik“ unter dem Titel „Acht Tische für die Vierte Gewalt“. Am Ende hat sich diese Runde auf zehn Handlungsempfehlungen geeinigt – an die Politik, aber auch an die Branche selbst. Ich stelle Ihnen das Schlussdokument unkommentiert ans Ende.
Eine Gratwanderung natürlich, wenn Leute wie ich, die Politik sonst nur von außen betrachten und bewerten, sich auf einmal hinstellen und gegenüber den Mediensprechern der Parteien quasi zu Lobbyisten in eigener Sache werden. Ich würde sagen, das Einzige, was gegen diese Anmutung hilft, ist Transparenz – und in dem Zusammenhang ist mir eine öffentlich kommunizierte „Acht Tische“-Konferenz samt einsehbaren Ergebnissen x-mal lieber als wenn Branchenverbände im Hinterzimmer des Kanzleramts ihre Wünsche deponieren oder wenig g‘schamige Verleger sich ihre Inserate direkt bei einem Minister bestellen, über den sie dann zwei Tage später wieder Kommentare schreiben.
Kurz vor der Klausur hatte Medienminister Andreas Babler (SPÖ) angesichts einer Kündigungswelle in mehreren Zeitungsunternehmen angekündigt, die bestehenden Medienförderungen evaluieren zu lassen und 2026 eine „grundlegende Neuausrichtung“ anzupeilen.
Zeit, noch einmal die unangenehmen Wahrheiten im Bereich Medienpolitik Revue passieren zu lassen.
Erstens: Es gibt in Österreich (aus vielfältigen Gründen, allen voran der Abfluss von Werbegeldern an amerikanische Digitalriesen) derzeit schlicht kein Geschäftsmodell mehr, das Medienunternehmen mit, sagen wir, 100 bis 500 Mitarbeitern nachhaltig am Markt erhalten könnte. Gleichzeitig sind die meisten privaten Medienunternehmen (Zeitungen), die einen Großteil der Österreicherinnen und Österreicher täglich mit Informationen darüber versorgen, was hier und in der Welt so passiert, genau in dieser Größe.
Zweitens: Die (Bundes-)Medienförderung in Österreich ist darauf abgestellt, genau diese etablierten Medien zu erhalten – und, wie der Rechnungshof im Sommer festgehalten hat, wurde sie von 2019 bis 2024 um 88 Prozent erhöht. Qualitätskriterien spielen bei der Vergabe praktisch keine Rolle. Maßgeblich für die Vergabe von rund 86,9 Millionen Euro im Jahr 2024 waren nur Einzelpersonen. Aber nicht einmal das reicht aus, um die bestehenden Strukturen zu erhalten.
Drittens: Die Politik hat über Jahre hinweg durch die willkürliche Vergabe öffentlicher Inserate nachgeholfen. Damit ist jetzt Schluss, einerseits weil sich diese Vergabe in den vergangenen Jahren erfreulicherweise professionalisiert hat, andererseits, weil jetzt schlicht kein Geld mehr dafür da ist.
Viertens: Österreich hat eine im Vergleich mit anderen Staaten (etwa dem Vorreiter Dänemark) unterentwickelte Landschaft neuer digitaler Medien – was nicht zuletzt daran liegt, dass Förderung und Inseratenvergabe lange Zeit auf den reinen Erhalt der bestehenden Strukturen abgestellt waren. Mehr als drei Viertel der formalen Presseförderung gingen bisher an zehn Medienkonzerne.
Dazu kommen noch Herausforderungen wie die beträchtliche Abhängigkeit von US-Konzernen, um mit medialen Inhalten die eigene Bevölkerung zu erreichen; das zunehmende Auftreten von kaum verhüllten Propagandaorganen, die sich als unabhängige Medien gerieren; die Versuchung für Politiker, Inserate und Förderungen als Gängelband für Medien zu nutzen; und generell die Tatsache, dass die Republik eigentlich weniger als mehr Geld ausgeben sollte.
Die Politik – und besonders der Medienminister – steht jetzt vor der Herausforderung, alles auf einen Nenner zu bringen und ein Fördersystem zu bauen, das neue Medien berücksichtigt, die – das ist der Silberstreif am Horizont – Information mangels Sende-, Druck- und Vertriebsstruktur weit effizienter sicherstellen werden können. Gleichzeitig sollte das System den bestehenden Unternehmen weiter unter die Arme greifen – denn man kann den Kunden nicht einfach von heute auf morgen das Informationsangebot entziehen.
Weitgehender Konsens bei den „acht Tischen“ war, dass das gegenwärtige Förder-plus-Inserate-System desolat ist. Bablers Evaluierung ist ein wichtiger erster Schritt. Aber am Ende wird die Regierungskoalition nicht um die Gretchenfrage herumkommen: Sie muss ein Fördersystem aufsetzen, das irgendeine Form von Qualitätskriterium beinhaltet, und bestimmen, wer die Einhaltung dieser Kriterien überprüft.
Die zehn Empfehlungen, auf die sich die Klausur vergangene Woche geeinigt hat – Sie sehen, dass es dabei nicht nur um Förderungen geht – mögen zwar der Breite der Veranstaltung wegen sehr unkonkret sein, aber sie wären dabei ein guter Ausgangspunkt.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
Acht Tische für die Vierte Gewalt - Handlungsempfehlungen
• Ein einheitliches Förderwesen wird vom Gesetzgeber festgelegt. Dieses umfasst objektivierbare, messbare Kriterien, die medienneutral, niederschwellig, innovationsfördernd und nachhaltig ausgestaltet sein und Bedacht auf Medienvielfalt und Compliance nehmen sollten. Vergeben wird die Förderung durch eine unabhängige, sturmsichere Institution.
• Grundvoraussetzung für den Erhalt einer Förderung soll es sein, anerkannte Standards für die journalistische und publizistische Arbeit einzuhalten und diese kontinuierlich transparent zu machen. Es wird ein offener, punktebasierter Kriterienkatalog definiert. Verantwortlich sind Gesetzgeber und Medienschaffende.
• Eine Förderungsarchitektur aus einem Guss wird eingeführt. Anwendung und Kontrolle erfolgen in größtmöglicher Unabhängigkeit, gesichert durch eine “Firewall”.
• Die Medienförderung des Bundes fokussiert sich auf zukunftsfähige und resiliente Geschäftsmodelle. Die Mittel werden maximal staatsfern und nach transparenten Kriterien durch eine unabhängige Fachjury vergeben. Ihre Wirkung wird gemessen.
• Regierungsinserate werden im europäischen Benchmarking gedeckelt und die freiwerdenden Mittel werden dazu genutzt, die Medienförderung aufzustocken.
• Die journalistische “Creator Economy” und Neugründungen werden Teil des Fördersystems.
• Big Tech Plattformen werden effizient reguliert. Im Fokus stehen insbesondere Jugendschutz, Urheberrecht, Inhalteverantwortung, Steuerfairness und Transparenz. Der Zugriff auf Werbeerlöse der Plattformen als Sanktionsmöglichkeit ist sachgerecht.
• Europäische Alternativen zu Big Tech Angeboten werden durch Ausbau des European Public Open Space geschaffen, im Schulterschluss zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (EBU), Verleger:innen und privaten elektronischen Medienanbieter:innen.
• In Schulen wird “Medien und Demokratie” als fächerübergreifende Kompetenz eingeführt. Das Informationsfreiheitsgesetz wird durchgesetzt.
• Die Pluralität der Medienlandschaft und die Existenz des ORF mit Programmnormen und gesicherter Finanzierung sind ins B-VG aufzunehmen.
Hernstein, 14. November 2025
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