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Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Ich schreibe Ihnen aus dem Katastrophengebiet an der Traisen, konkret: aus meinem Keller, in dem sich in den vergangenen Tagen zum ersten Mal das Grundwasser breitgemacht hat. Das ist ärgerlich, aber nichts, was ein paar Lufttrockner, eine Sperrmüllfahrt und ein paar Handwerker nicht wieder hinbringen sollten.
Es hätte weit schlimmer kommen können (wie in anderen Teilen des Landes): Der Fluss ist hier – ich habe das an dieser Stelle schon einmal erzählt – renaturiert worden, mit mehr Raum fürs Flussbett, Rückbau der Wehranlagen, Ermöglichung gezielter Flutung der Auen durch neue Dämme im Hinterland usw.. Das kann zwar das Grundwasser nicht aufhalten – aber es hat es der Traisen ermöglicht, die mehr als 30-jährlichen Wassermassen effektiv Richtung Schwarzes Meer abzutransportieren. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre es hier jetzt unbewohnbar.
Das zeigt, dass die Regionen, die Länder, Verwaltung und Politik durchaus in der Lage sind, aus Katastrophen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Hier in Niederösterreich waren es zum Beispiel die Hochwässer 1997 und 2002, die zu einem massiven Ausbau der Schutzanlagen geführt haben – gar nicht selten eben auch verknüpft mit ökologischem Flussbau, der gleichzeitig auch der Artenvielfalt und dem Klimaschutz dient.
Ja, Klimaschutz ist wichtig – Anpassung aber genauso
In den nächsten Tagen werden wir oft hören, wie alle Parteien versuchen, ihre eigene Agenda über die Flut und die Folgen in Umlauf zu bringen: Österreich braucht mehr Klimaschutzmaßnahmen, damit solche Ereignisse nicht noch häufiger werden, werden die einen sagen; die anderen werden sich für mehr lokalen Hochwasserschutz aussprechen. Wieder andere werden die Freiwilligenorganisationen und den Zivilschutz stärken wollen, und so weiter.
Der Wahlkampf und der politische Wettbewerb bringen es mit sich, dass es wirken wird, als ob das widersprüchliche Ansätze wären. Das sind sie nicht. Eine vernünftige Politik wird in der Folge dieses Rekordhochwassers drei Dinge angehen müssen – über lange, mittlere und kurze Distanz.
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Ja, natürlich müssen wir langfristig unsere Emissionen senken – im Verbund mit den anderen EU-Staaten und entlang der international paktierten Geschwindigkeit, um nicht gleichzeitig unseren Wettbewerb abzuwürgen. Auch wenn es nicht immer den Eindruck macht: Das gelingt der Republik derzeit ganz gut, nicht zuletzt dank der türkis-grünen Maßnahmen sind wir auf dem Zielpfad für 2030. In den nächsten Jahren wird es darum gehen, diesen Weg beizubehalten – mit Fortsetzung und Ausbau bisheriger Maßnahmen wie der CO2-Abgabe, mit klaren, ordnungspolitischen Zielen wie dem Ausstieg aus nicht-klimaneutralen Motoren und, besonders, mit der Förderung von Technologien, die Österreich auf diesem Weg einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können, von sauberer Industrie bis hin zum Ausbau erneuerbarer Energien.
Mittelfristig wird aber trotzdem kein Weg daran vorbeiführen, dass wir uns auf apokalyptische Szenarien wie jene der vergangenen Tage einstellen – denn der Klimawandel ist schon da und wird noch schlimmer werden, solange die Welt weiter Treibhausgase in die Luft pumpt. Wir werden noch mehr Platz für Flüsse und Bäche machen, aber auch für horrende Trockenheiten vorsorgen müssen – schon allein die Verläufe des aktuellen Hochwassers werden neue Maßstäbe setzen. Viele dieser Maßnahmen werden auch gut in die Renaturierungs-Verordnung passen – dass sie in Österreich umstritten war, sollte uns nicht abhalten, sie schon aus Eigennutz voranzutreiben.
Nachhaltigkeitshilfe statt Gießkanne
Kurzfristig sollte die Republik aus der Nothilfe eine Tugend machen. Ja, natürlich sollten aus dem Katastrophenfonds wie schon früher Mittel zum Wiederaufbau fließen – intelligent wäre es aber, massiv Betroffenen seitens der Länder auch mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn sie zum Schluss kommen, angesichts immer häufigerer Unwetter ihre Situation umfassend ändern zu wollen. Die Familie, die nach dem dritten Hochwasser in eine sicherere Lage ziehen will; der Haushalt, dessen Pellets-Lager durch die Feuchtigkeit gesprengt worden ist und der jetzt eine Wärmepumpe erwägt; der Betrieb, dessen Fuhrpark überschwemmt worden ist und der jetzt eine Absiedelung andenkt: Das sind alles Möglichkeiten für gezielte Beratung und Förderung durch die Umwelt- und Wirtschaftsagenturen der Republik.
Ich will nicht das abgegriffene Wort verwenden, man solle die Krise zu einer Chance machen – aber ein Land, das jetzt, wo viele ihren Standort und Standpunkt überdenken, eine clevere Wiederaufbau-Förderung aufsetzt, statt die Gießkanne über die Flutopfer auszuschütten, kann sich auf lange Sicht viel ersparen.
Herzlich,
Ihr Georg Renner
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